3. März 2023 Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!” von Radio Kossuth
Finnland und Schweden möchten Teil der NATO werden, sie haben um ihre Aufnahme in das Verteidigungsbündnis gebeten. Dieser Bitte haben jetzt noch die Parlamente zweier Mitgliedsstaaten – die Türkei und Ungarn – noch nicht zugestimmt. Viktor Orbán präsentierte in einem Radiointerview am 24. Februar die türkische und ungarische Position zum NATO-Beitritt dieser Länder und auch die ungarische Position zur NATO-Mitgliedschaft.
Türkische Gesichtspunkte
Was die Türkei anbetrifft, die im Übrigen ebenfalls unser Verbündeter ist, und deshalb müssen wir auch ihre Stimme hören, vielleicht hören wir ihnen, da wir näher zu ihnen sind als die anderen NATO-Mitglieder, mit schärferen Ohren zu. Sie haben ernsthafte Einwände. Weniger gegenüber Finnland, aber gegenüber Schweden schon, was den einfachen Grund besitzt,
dass in Schweden sich selbst als zivil bezeichnende Organisationen wirken, die gegen die Türkei arbeiten und nach der türkischen juristischen Auslegung terroristische Organisationen sind.
Die Türken wollen keinen Mitgliedsstaat in der NATO sehen, auf dessen Territorium Gruppen existieren, die auch Terroraktionen gegen die Türkei organisieren wollen und können. Und dafür bitten sie um eine Garantie. Jetzt hat die Türkei diese Garantien bisher nicht erhalten.
Es gibt also so eine Sache. Wir müssen auch die Türken beachten, denn am Ende wird dann der gesamte Prozess steckenbleiben. Wenn es keine Lösung für das türkische Problem gibt, dann wird aus der Erweiterung nichts.
Die ungarischen Gesichtspunkte
Ungarn ist ja der NATO beigetreten, und zwar nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, wir sind also keine Gründungsmitglieder, deshalb sind wir ein Land, das aufgenommen worden ist. Sie hätten uns auch abweisen können, aber sie haben uns aufgenommen. Dies verleiht Ungarn eine Art moralischer Verpflichtung, dass wenn jemand in die NATO aufgenommen werden möchte und es aus ungarischer Sicht kein entgegengesetztes Interesse, keine bedeutende Verletzung ungarischer Interessen gibt, dann soll dieses Land – so wie man uns auch aufgenommen hat – aufgenommen werden. Das ist ein logisches und auch aus menschlicher Sicht, aus der Sicht der Ehre ein richtiges Verhalten.
Deshalb habe ich die Fraktion gebeten, die NATO-Mitgliedschaft von Schweden und Finnland zu unterstützen, und die Regierung hat deshalb den Vorschlag auf die Weise dem Parlament vorgelegt, dass sie die Abgeordneten bittet, für ihn zu stimmen. Doch die Abgeordneten sind nicht allzu begeistert, unter uns gesagt. Es gibt einen Teil unter ihnen, der sagt, mit Finnland entsteht dann doch ein mehr als tausend Kilometer langer unmittelbarer Grenzkontakt zwischen Russland und Finnland, angesichts der ukrainischen Situation ist dessen Kriegspotential hoch, wir sollten das bedenken, ob es sicher sei, das dies gut wäre. Es gibt also so eine geopolitische Überlegung. Meiner Ansicht nach besitzen wir gegen dieses Gegenargument überzeugende Argumente, warum man dieses Risiko eingehen kann, diese Debatte kann man gewinnen.
Und die andere Seite sagt, wir sollten doch noch einige Worte mit diesen braven Finnen und Schweden wechseln, denn das geht ja doch nicht, dass sie uns bitten, sie aufzunehmen, und
sie offensichtliche Lügen über Ungarn, über den Rechtsstaat in Ungarn, die Demokratie, über das Leben hier verbreiten, und wie will jemand so unser Verbündeter in einem militärischen System sein, dass er hemmungslos Lügen über Ungarn verbreitet?
Bleiben wir doch für ein freundschaftliches Wort stehen und fragen wir sie, wie das denn ist. Und soweit ich das sehe, geht das Parlament auch in diese Richtung. Ich gehöre zu jenen, die Nüchternheit empfehlen. Ich verstehe, ja ich stimme der Meinung unserer Fraktion auch zu, dass hier nicht alles in Ordnung ist, doch bitte ich darum, dass am Ende doch klar sein soll, dass wir auf prinzipieller Grundlage den NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands unterstützen, doch zuvor sind doch einige ernsthafte Gespräche notwendig, gar nicht zwischen den Regierungen, denn das ist eher Teil unseres Lebens, sondern zwischen den Parlamenten würde es nicht schaden, wenn es zu einem klärenden Gespräch käme, dass sie uns doch nicht treten sollten, wenn sie zugleich hierherkommen,, darum bittend, dass wir sie aufnehmen sollen.
Wenn sie erwarten, dass wir ihnen gegenüber anständig sein sollen, dann sollen auch sie sich bequemen und anständig gegenüber Ungarn sein.
Ungarischen Position zur NATO-Mitgliedschaft
Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis und wir sind dazu verpflichtet. Also wenn man uns angreift, sind wir verpflichtet, uns gegenseitig auszuhelfen. Deshalb ist die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine problematisch und deshalb sagt der Nordatlantikvertrag richtig aus, dass ein Land, das im Krieg steht, nicht in die NATO
aufgenommen werden kann, denn damit wird der Krieg in das Bündnis getragen, und das Verteidigungsbündnis muss einen Mitgliedsstaat, wenn er im Krieg steht, sofort verteidigen.
Die NATO ist also ein Verteidigungsbündnis und kein Kriegsbündnis.
Es gibt keine Passage im NATO-Grundlagendokument, in den mit der NATO unterzeichneten Verträgen, die ich unterschrieben habe, dass die NATO im Übrigen das Recht hätte und die Mitgliedsstaaten die Pflicht, an militärischen Aktionen teilzunehmen oder solche zu starten, die einen gemeinsamen Angriff eines Nichtmitgliedsstaates der NATO zum Ziel haben. So etwas gibt es nicht. Wenn sich so eine Situation einstellt, dann tritt die NATO einen Schritt zurück, die NATO nimmt daran nicht teil. NATO-Mitgliedsstaaten können, wenn sie wollen, außerhalb der NATO solche militärischen Bündnisse, Kriegsbündnisse schaffen, aber sie können nicht jene NATO-Mitglieder darin hineinzerren, die im Übrigen daran nicht teilnehmen wollen. Das ist das Wesen der ungarischen Position, ich stehe, die Position Ungarns ruht in juristischem und moralischem Sinn auf der Tatsache, dass die NATO ein Verteidigungsbündnis ist und kein Kriegsbündnis.
TELJES INTERJÚ: https://mediaklikk.hu/miniszterelnoki-interjuk/cikk/2023/02/24/orban-viktor-miniszterelnoki-interju-jo-reggelt-magyarorszag-februar-24/