30. Juni 2025 Vaticannews
75 Jahre ist es her, dass im Juni 1950 im damals kommunistischen Ungarn jener Prozess begann, der dem Wirken der katholischen Ordensgemeinschaften ein Ende setzte. Aus diesem Anlass veranstalteten die Konferenzen der ungarischen Ordensoberinnen sowie der männlichen Ordensoberen am 27. Juni eine gemeinsame Gedenkfeier. Höhepunkt ist ein Gottesdienst mit Nuntius Michael Wallace Banach.
Feinde der „Volksdemokratie“
Bis kurz zuvor im Jahr 1948 waren in Ungarn über 11.000 katholische Ordensleute aktiv, in 23 männlichen und 44 weiblichen Ordensgemeinschaften. In den Männerorden lebten 2.429 Ordensleute (darunter 1.521 Priester und 908 Novizen) in 157 Klöstern, sie betreuten 106 Pfarrgemeinden und unterrichteten an 74 Schulen. Die Frauenorden zählten 9.036 Mitglieder, die in 580 Klöstern lebten und in 328 Schulen, 127 Kindergärten, 80 Krankenhäusern sowie 127 sozialen Einrichtungen tätig waren.
Die kommunistische Führung betrachtete die Ordensleute als Feinde der „Volksdemokratie“.
Man erkannte, dass sich im Gegensatz zum Diözesanklerus, der nur einzeln unter Druck gesetzt werden konnte, die Ordensgemeinschaften per Gesetz kollektiv auflösen ließen – so konnten die Gläubigen einer bedeutenden kirchlichen „Aktivistenschicht“ beraubt und gleichzeitig sowohl der Diözesanklerus als auch die protestantischen Geistlichen eingeschüchtert werden.
Zwangsdeportation der Ordensleute
Der Anfang vom Ende zeichnete sich schon im Juni 1948 ab, als die katholischen Schulen verstaatlicht wurden. Noch im selben Monat beschloss die Parteiführung die vollständige Auflösung der Orden. Etwa 3.500 Ordensleute wurden an Zwangswohnorte deportiert. In den Nächten vom 9. auf den 10. Juni sowie vom 18. auf den 19. Juni stürmte die Polizei die Klöster, trieb die Ordensleute – darunter auch Alte und Kranke – zusammen und verfrachtete sie mitsamt dem Nötigsten auf Lastwagen in dafür bestimmte Gebäude. Die Deportierten erhielten offizielle Bescheide, laut denen sie ihren bisherigen Wohnort aus „öffentlichem Interesse“ verlassen mussten und ihren neuen Aufenthaltsort nicht verlassen durften.
Die Ordensleute lebten fortan unter schwierigen Bedingungen, was jedoch die wachsende geschwisterliche Verbundenheit sowie die Unterstützung durch die örtlichen Gläubigen nicht verhindern konnte. In dieser Situation begannen zwischen dem 28. Juni und 30. August 1950 Verhandlungen zwischen Vertretern der katholischen Kirche und des kommunistischen Staates, unter direkter Leitung von Mátyás Rákosi, der seit 1948 alle Macht im Land hatte. De facto diktierte er der eingeschüchterten und unter Zwang stehenden kirchlichen Delegation die Bedingungen des „Abkommens“.
Ausnahmen „Friedenspriester“ und Schulorden
Während der Verhandlungen wurden am 11. Juli und 14. August weitere Klöster geräumt, und
am 1. August 1950 wurde auch die Organisation der „Friedenspriester“ – Geistliche, die mit dem kommunistischen System kooperierten – gegründet.
Am 30. August 1950 wurde das Abkommen zur Beendigung der Tätigkeit der Orden unterzeichnet.
Ausnahmen bildeten einige Lehrorden, namentlich die Benediktiner, Piaristen, Franziskaner und die von Theresia Gerhardinger (1797-1879) gegründeten Schulschwestern. Die Mitglieder der aufgelösten Orden mussten ihre Klöster innerhalb von drei Monaten verlassen, viele von ihnen wurden interniert. Der Staat beschlagnahmte das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Orden.
Insgesamt gibt es Berichte über die Auflösung von 23 Männerorden, darunter 182 betroffene Klöster und 2.582 Ordensleute, sowie von 40 Frauenorden, welche rund 450 Klöster und etwa 10.000 Ordensfrauen umfassten. Die Benediktiner, Piaristen, Franziskaner und Schulschwestern durften in sechs Städten – Pannonhalma, Győr, Kecskemét, Esztergom, Debrecen und Budapest – in neun Klöstern mit insgesamt 250 Ordensleuten verbleiben und acht Gymnasien weiterführen.
Dekret galt bis 1989
Mitte September 1950 wurden die in Zwangswohnorte gebrachten Ordensleute zwar freigelassen, doch eine Rückkehr an ihre ursprünglichen Wirkungsstätten war ihnen nicht gestattet.
Etwa 11.000 Ordensleute wurden obdachlos.
In der inländischen Presse wurde über diese Ereignisse geschwiegen, man lobte lediglich das „erfolgreiche“ Abkommen. Die katholischen Gläubigen erlitten durch den Verlust nicht nur von Institutionen, sondern auch von geistlicher Stütze einen schweren Schlag.
Das Dekret zur Auflösung der Orden wurde erst 1989 vom letzten Parlament der Einparteienherrschaft aufgehoben. Das Abkommen von 1950 wurde 1990 von Ministerpräsident Miklós Németh und Kardinal László Paskai offiziell für nichtig erklärt. Zwar wurden die rechtlichen Einschränkungen aufgehoben. Dennoch sind die Schäden, die zwischen 1948 und 1989 entstanden, bis heute spürbar.
(kap – pr)
Bildquelle: Luftaufnahme der Erzabtei Pannonhalma, Vaticannews