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Der Fall der deutschen Student*Innen mit der ewigen Frau

2. August 2023 Magyar Hírlap von IRÉN RAB

Im Foyer des Oslo-Gebäudes der Europa-Universität Flensburg steht ein dreidimensionales, regenbogenfarbenes Fragezeichen. Auf dem Piedestal stand früher eine lebensgroße Skulptur des deutschen Bildhauers Fritz During (1910-1993) mit dem Titel Primavera. Das Leben des begabten Künstlers wurde durch den Zweiten Weltkrieg, seinen Militärdienst und seine Gefangenschaft zerschnitten, aber die Einzelheiten sind wohl nicht wichtig genug, um veröffentlicht zu werden. Vielleicht ist das Glück für den Künstler, denn dadurch blieb During von den üblichen faschistischen, nationalsozialistischen und anderen Beinamen verschont, die Soldaten in deutscher Uniform so oft angehaftet werden.

Nicht die Vergangenheit von During spielte eine Rolle bei der Entfernung der Statue, sondern die von ihm geschaffene Figur.

Der Künstler hat die Sehnsucht eines Mannes, der die Schrecken des Krieges überlebt hat nach Schönheit in kleine Plastiken und öffentliche Skulpturen gegossen. Er träumte von Frauen, mit breiten, schützenden, sich öffnenden weiblichen Hüften.

Ein Symbol, das seit der Venus von Willendorf ein wiederkehrendes Motiv der Kunst ist. Primavera, eine Skulptur des Frühlings, der Jugend, der Erneuerung und der Weiblichkeit, ist ein solches Werk.

Es ist kein Zufall, dass die Skulptur in der Eingangshalle der nach dem Krieg gegründeten Lehrerausbildungsanstalt aufgestellt wurde. Der Lehrerberuf wurde damals zunehmend weiblich, denn in Deutschland herrschte in allen Bereichen Mangel an Männern.

Der Weltkrieg hatte sieben Millionen deutsche Opfer gefordert, zur Hälfte Soldaten und zur Hälfte Zivilisten. Andere Quellen beziffern die Zahl der toten und vermissten deutschen Soldaten auf fast fünf Millionen. Diejenigen, die lebenslang behindert wurden,

sind in dieser Statistik nicht enthalten, ebenso wenig wie diejenigen, die nie in der Lage waren, die erlebten Schrecken zu verarbeiten.

Nach dem Krieg mussten die Frauen die Trümmer beseitigen, einen Neuanfang angehen, Kinder erziehen und auch unterrichten. Ein großer Teil der Lehramtsstudenten waren deswegen ebenfalls Frauen, und die Männer, die aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrten, wurden von den Universitäten geradezu mit Lasso gejagt. Darüber spricht man nicht, es ist auch ein Tabuthema und aus diesen oder anderen Gründen in der deutschen Erinnerungskultur bis heute nicht aufgearbeitet.

Auf jeden Fall schuf During 1956 diese Frau, eine schlanke, langgestreckte Mädchenfigur mit kräftigen Hüften. Das Gesicht ist nicht ausgearbeitet, wozu auch, entscheidend ist das, was sie ausstrahlt, das heißt, was sie 67 Jahre lang ausgestrahlt hat, bis heute. Seitdem ist viel Wasser, sagen wir mal die Eider hinunter geflossen – denn Flensburg liegt außerhalb der Reichweite eines Flusses. Aus der ehemaligen Pädagogischen Hochschule ist eine Universität geworden, die den wirklich trendigen Namen Europa trägt. Dementsprechend lehren sie Sozialwissenschaften, mit einem Studiengang in Bürokratiesprache.

Die Studenten, auf Genderdeutsch „Student*Innen“ (oder Studierende, als würden sie nichts anderes machen, als täglich 24 Stunden lang studieren…), die sich der Zukunft, der nachhaltigen Entwicklung und dem sozialen Wandel verschrieben haben, fühlten sich plötzlich von dieser Statue des Frühlingserwachens, der ewigen Frau, gestört. „Student*In“ ist übrigens die politisch korrekte Bezeichnung für den Universitätsstudenten, männlich/weiblich, und das Sternchen dazwischen bezeichnet alle anderen Geschlechter zusammen, so dass niemand aufgrund seiner Geschlechtsidentität aus der Studentenschaft ausgeschlossen wird. Diese Studenten (wie einfach und modern die ungarische Sprache in dieser verwirrten Welt ist: ohne männlich, weiblich, sachlich) forderten, dass die Statue aus dem Foyer der Universität entfernt wird.

Die Kommission für Gleichstellung und Vielfalt hat eine Debatte organisiert, ob eine derart provokative Skulptur auf einem europäischen Universitätscampus Platz haben sollte. Sie sind der Meinung, dass Primaveras sinnliche Statue, welche die Hingabe einer Frau und ihr weites, einladendes Becken zeigt, den Wunsch zum Gebären andeutet, ausgrenzend ist und gegen die Werte der Universität verstößt.

Die ideologische Debatte drehte sich auch darum, was Kunst darstellen sollte und was nicht. Die künstlerische Freiheit selbst wurde nicht diskutiert, denn das hätte sofort Einschränkungen, oder, wenn man so will, ideologische Zensur offenbart. Werden die Kommissionen für Vielfalt (LGBTQ) nun an der Spitze der Cancel Culture stehen?

Werden sie alles entfernen, was ihre Empfindlichkeiten beleidigt?

Vielleicht nicht. Obwohl das Gremium schnell Muffensausen bekam, die Statue sofort ins Büro umzog und sie durch ein Regenbogen-Fragezeichen anstelle von Salz ersetzte, aber die Angelegenheit ist noch nicht abgeschlossen. Der Senat der Universität beschwerte sich, dass er nicht konsultiert worden sei, und zwar unter dem Druck eines bunten Ausschusses, der angeblich alle Interessen berücksichtigte. Und die Meinung des Senats ist sicherlich nicht dieselbe wie die der Regenbögen. Für die Professoren ist der Text der Petition unverständlich; sie verstehen nicht, welche die „gesellschaftlichen Werte der Universität“ sind, die durch die Statue nicht widerspiegelt würden und sie verstehen auch nicht, um genau welche Werte es hier geht. Die neomarxistische Sprache ist etwas, was die Mitglieder des Senats erst noch lernen müssen.

Es scheint, dass die Aggression der Bunten selbst für eine sehr moderne Universität in Norddeutschland zu viel geworden ist. Denn plötzlich fordert der Studentenrat (ASTA) die Wiederaufstellung der Statue. Die künstlerische Freiheit dürfe in keiner Weise eingeschränkt werden, heißt es. Das Spiel steht 2:1, eine Entscheidung ist vorerst nicht zu erwarten, es sind Semesterferien bis Mitte Oktober. Bis dahin staubt sich Primavera in der Personalabteilung der Uni ein.

Ich würde der Fakultät vorschlagen, die Frage der künstlerischen und kreativen Freiheit und der schädlichen Auswirkungen verschiedener Ideologien auf die Gesellschaft in das Studienprogramm aufzunehmen. Wenn sie den Mut dazu hätten, würden sie es wirklich tun.

Autorin, Dr. phil Irén Rab ist Kulturhistorikerin

MAGYARUL: https://www.magyarhirlap.hu/velemeny/20230730-a-nemet-studentin-esete-az-orok-novel

Deutsche Übersetzung: Dr. Andrea Martin

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