20. JUli 2021 Gastbeitrag von TAMÁS KÖTTER
Nach Thukydides ziehen die Menschen aus drei Gründen in den Krieg: Interesse, Furcht oder Ehre; und die Achse Brüssel-Paris-Berlin – auch wenn sie ihre Ehre verloren hat (aber dazu später mehr) – hat Grund zur Furcht, denn es wird ein ernsthafter Interessenverlust sein, wenn die V4-Staaten diesem Rahmen der Zusammenarbeit echte, sinnvolle Substanz verleihen. Dies ist bereits der Fall.
Mit der Auflösung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie ist das wirtschaftliche und vor allem das kulturelle Mitteleuropäertum verschwunden.
Die Nationen, die die Monarchie bildeten, waren Teil der sechststärksten Macht der Welt, wenn auch in einem imperialen Rahmen. Die Nachfolgestaaten, die entstanden sind, haben nichts davon geerbt. Sie waren in der Weltpolitik und auch in der europäischen Politik völlig irrelevant, unfähig, sich auf der Basis gemeinsamer Interessen und Werte aufeinander zu beziehen;
Einerseits trauten diese Staaten einander nicht, nur die Kleine Entente funktionierte eine Zeit lang, andererseits waren sie bereit, prinzipienlose Bündnisse mit jeder Großmacht und gegeneinander einzugehen. Frankreich, das kleine Entent dominierte, wurde zunächst von Deutschland aus der Region verdrängt (Pax Germanica) und dann durch die grausame Unmittelbarkeit der Konferenzen von Jalta und Potsdam in die Interessensphäre der Sowjetunion gebracht.
Die eurasische Großmacht sorgte dafür, dass „aus Mitteleuropa Osteuropa“ wurde.
Infolge der Sowjetisierung „wurden keine Brücken zwischen den ’selbstbewussten sozialistischen‘ Völkern gebaut, auch die Eisenbahn wurde vielerorts abgeschafft, und sogar die gemeinsame Sprache hat sich inzwischen geändert, da das Russische das Deutsche und das Ungarische nicht ersetzen konnte, und diese wurden nach dem historischen Umweg durch das in der Region fremde Englische ersetzt. (Zoltán Mészáros, Ein geeintes Mitteleuropa, so schnell wie möglich)
Sowohl die Radikalliberalen (die demokratische Opposition) als auch die mit ihnen bereits eng verbündeten parteistaatlichen Kräfte (Reformer, Experten) sowie die westliche wirtschaftliche, politische und kulturelle Elite
sahen den Sinn des revolutionären, regimeverändernden Übergangs der 89′-90’er Jahre im Anschluss an den „Westen“,
dessen Inhalt Márton Békés als die Übernahme der dortigen (westlichen) Agenda definierte: „deren bestimmende Elemente die individuellen Menschenrechte, die internationale Zivilgesellschaft und die Marktliberalisierung waren„. (Márton Békés, Die Situation im Osten ändert sich)
Diese totale Nachahmung (die übrigens in der Unterordnung der nationalen Interessen unter den „Westen“ zu sehen ist), die die Zeit nach dem Systemwechsel bis 2010 kennzeichnete, wurde durch die populistischen Aufstände in der Region durchbrochen, die
eine Rückkehr zu einem Mitteleuropäertum markierten, das von enger wirtschaftlicher und politischer Zusammenarbeit und einer Betonung der kulturellen Einzigartigkeit geprägt war.
Die Großmächte tun sich schwer damit, abtrünnige Staaten zu tolerieren. Sie sind sich darüber im Klaren, dass „wenn die Volkswirtschaften der V4 noch stärker miteinander verbunden werden, dies Stärke bedeuten könnte, wie im Fall von Firmen und privaten Unternehmen.“ Ein solches Bündnis – das den kleinen und mittleren Staaten der Region nicht nur Prestige nach außen verschafft, sondern auch hilft, den negativen Auswirkungen des Einflusses von Großmächten entgegenzuwirken – „würde auch ein faires Verhältnis zu Westeuropa erzwingen.” (Zoltán Mészáros: Ein geeintes Mitteleuropa, so schnell wie möglich!)
Es ist kein Zufall, dass der „Westen“, der dies erkannt hat, versucht, die beiden Flaggschiffe des aufstrebenden Mitteleuropa, Polen und Ungarn, zu destabilisieren.
Sie halten die beiden Länder durch „organisierte“ Kriege (Einführung des Rechtsstaatsmechanismus) und „selbstlose freundschaftliche Hilfe“ für die Elite aus der Zeit zwischen 2002 und 2010, die an die Macht zurückkehren wollen (MSZP, DK, Párbeszéd), und ihre neu rekrutierten Hilfstruppen (Jobbik, Momentum, LMP) ständig unter Druck. Im gemeinsamen Schnittpunkt der noch im Entstehen begriffenen Programme dieser Parteien steht das Versprechen einer „Rückkehr zum Westen“, was – ausgehend von der fast jahrhundertelangen Nachfolgepolitik der Linken – faktisch nicht mehr und nicht weniger bedeutet als „Ausverkauf der nationalen Interessen und Abbau der nationalen Werte“ (Márton Békés).
Der jüngste Akt dieses permanenten Krieges, unterbrochen von kurzen Friedensphasen, ist die umfassende Novellierung des Kinderschutzgesetzes, mit der versucht wird, sich unter dem Vorwand des Schutzes von (sexuellen) Minderheiten in die inneren Angelegenheiten unseres Landes einzumischen.
Um auf Thukydides zurückzukommen, vom allen möglichen Gründen wurde dieser Krieg aus einem bestimmten Grund sicherlich nicht begonnen, und das ist die Ehre. „Wenn es der EU-Kommission wirklich um den Schutz von Minderheiten ginge, hätte sie das Thema der autochthonen nationalen Minderheiten (ca. 10% der EU-Bevölkerung!) nicht zuvor vom Tisch gefegt.“
Der einzige Grund für den Krieg ist die Zerstörung eines eigennützigen, sich gegenseitig unterstützenden Mittel- und Osteuropas, das vor unseren Augen geschaffen wird.
Lassen wir das nicht zu!!!!
Autor, Dr. iur. Tamás Kötter ist Rechtsanwalt und Schriftsteller
Bildquelle: 2022 Plusz
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