2. März 2023 ORSZÁGÚT von István Krómer
Unter diesem Titel entstand vor Kurzem ein 50-minütiger Dokumentarfilm, der ein sportgeschichtliches Ereignis aus den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufarbeitet, welches bis heute nur wenigen bekannt ist.
Obwohl sich Siebenbürgens Rückkehr ins ungarische Mutterland im Jahr 1940 als eine nur vier Jahre anhaltende, vergängliche Episode erwies, betrachteten die Zeitgenossen dieses Wiederanschlusses sie als die (partielle) Wiederherstellung der natürlichen Weltordnung und schmiedeten trotz dessen, dass der Weltkrieg in vollem Gange war, weitreichende Pläne.
Sie wollten im Rodnaer Gebirge eine Winterolympiade ausrichten.
Das war zum damaligen Zeitpunkt auch kein haarsträubender Gedanke, denn nur knapp ein Menschenalter zuvor hatte Ungarn, Gründungsmitglied des Internationalen Olympischen Komitees, bereits das Recht zur Ausrichtung der Olympischen Spiele 1920 erlangt. Unglücklicherweise war einige Wochen nach der Entscheidung des IOK der Erste Weltkrieg ausgebrochen, welcher nicht nur die Olympia-Pläne davonschwemmte, sondern beinahe auch Ungarn selbst.
Als Angehörige einer Verlierernation durften ungarische Sportler an den nach Antwerpen verlegten Olympischen Spielen 1920 letzten Endes nicht einmal teilnehmen, doch 1924 in Paris traten sie wieder an – mit der hochtrabenden Ambition, mehr Medaillen zu gewinnen als jedes Land der Kleinen Entente. Mit zweimal Gold und viermal Silber übertrafen sie dieses Ziel bei Weitem, denn
Ungarn feierte mehr Gewinne als jedes Land der Kleinen Entente und Österreich zusammen.
Dieser Zeit regte sich der Traum einer eigenen Olympiade erneut.
Nach der Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees im Jahr 1938 berichtete Gyula Muzsa, Präsident des Ungarischen Olympischen Komitees, dass Budapest Chancen auf die Ausrichtung der 1948er Olympischen Spiele habe. Weil damals der Gastgeber der Sommerspiele auch die Olympischen Winterspiele veranstalten durfte, begannen Beauftragte der ungarischen Regierung, nach einem geeigneten Ort zu suchen. Seit dem Zweiten Wiener Schiedsspruch vom 30. August 1940 verfügte das Land wieder über schneesichere, hohe Berge, sodass das Hindernis der Ausrichtung einer Winterolympiade aus dem Weg geräumt war.
Auch das hohe Niveau des ungarischen Skisports zwischen den beiden Weltkriegen verbesserte die Chancen für die Ausrichtung der Spiele, unter anderem dadurch illustriert, dass das ungarische Team die Weltmeisterschaft im alpinen Skirennen gewann.
Von den Vorbereitungen dieser für 1948 geplanten Winterolympiade handelt also der Dokumentarfilm Olympischer Traum in Siebenbürgen des Studios Budapest Film Produkció, der als Verfilmung von András-Péter Killyénis Buch Olympischer Traum im Rodnaer Gebirge mit Unterstützung des ungarischen Nationalen Filminstituts entstanden ist.
Profiskiläufer István Déván besuchte im Auftrag des Skiverbands alle Gebirge Ungarns, um einen Standort für eine Winterskizentrale zu empfehlen, fand aber lange kein Gebirge, das allen Ansprüchen gerecht wurde. Schließlich gelangte er im Tal zwischen dem Rodnaer (Radna) und dem Maramuresch-Gebirge (Máramaros) ins in 800 Meter Höhe gelegene Borsafüred, das sich als idealer Standort erwies. Die Berge sind hier von Oktober bis April von Schnee bedeckt, bei einem Höhenunterschied von 1200 Metern konnte man eine Piste von bis zu zwei Kilometern ausbauen, während sich die Eisenbahnstrecke bis nach Borsa erweitern ließ.
1941 präsentierte István Déván seine ersten Pläne eines neuen Nationalen Wintersportzentrums, in welchen er bereits markiert hatte, in welchem Tal und neben welchem Bach was für Gebäude und Sportanlagen errichtet werden müssten. Die Planung des ungarischen Olympischen Komitees nahm sich Garmisch-Patenkirchen, den Ausrichter der Winterspiele 1936 zum Vorbild, wollte aber noch größere und modernere Sporteinrichtungen errichten, als es dort der Fall war. Sogar aus Österreich ließ man Fachleute kommen, darunter Herbert Heis, Mitglied der mit dem Weltmeistertitel gekrönten deutschen Skimannschaft,
der über die Weihnachten 1941 eröffnete Piste äußerte, eine so schöne Piste habe er in Europa noch nicht gesehen.
1943 wurde der Grundstein für die Sportunterkunft des Skiverbands mit 500 Betten gelegt, und so entstand am Fuß des 1600 Meter hohen Bergs Lóhavas eines der modernsten Hotels seiner Zeit, die Anikó-Hütte. Benannt wurde diese nach der Skimeisterin Anikó Iglóiné Eleőd, deren Ehemann László Iglói den Bau als wohlhabender Bankier mit einer bedeutenden Summe unterstützte.
Gleichzeitig mit der Grundsteinlegung des als olympisches Zentrum geplanten Hotels Hóvirág arbeitete der polnische Skisprungmeister Stanislaw Marusarz unter Leitung des Konstrukteurs der Skipisten und Schanzen von Zakopane fiebrig am Bau der Skisprungschanze.
Es ist ein wunderbares Beispiel der Sportlerfreundschaft, dass die Identität des Sportlers, der wegen der deutschen Besetzung seiner Heimat unter Pseudonym als Flüchtling in Ungarn lebte, von allen in Borsa verweilenden deutschen, ungarischen oder norwegischen Wettkämpfern bewahrt wurde.
Am Bau der Piste arbeiteten mehrere tausend Menschen – es ist kein Wunder, dass das Projekt auch von der rumänischsprachigen Mehrheit der örtlichen Bevölkerung begrüßt wurde –, und bis Februar 1944 wurde sie fertiggestellt. Für die Schanze wurde kein Metall- oder Holzgerüst errichtet, sondern die natürliche Form des Berghangs selbst diente als ihre Grundlage. Bei ihrer Übergabe war sie die größte Sprungschanze Europas und die viertgrößte der Welt. Auch der erste Skilift Ungarns wurde bis 1944 nahezu fertiggestellt.
Dem Traum von der Olympiade bereitete der Einzug der sowjetischen Truppen ein Ende, welche die Anikó-Hütte in Schutt und Asche legten. Ein Großteil der Anlagen wurde später vom rumänischen Staat genutzt, der das Gebiet wieder in seinen Besitz brachte, doch weiterentwickelt wurden sie jahrzehntelang nicht. Das Hotel Bors der ursprünglichen olympischen Anlagen wurde zum Schulgebäude, das Hotel Hóvirág fungierte lange als Luxushotel und Heilbad. Die Pisten blieben erhalten und bis in die 2000er Jahre wurde auf ihnen Ski gelaufen und es wurden kleinere regionale Wettkämpfe ausgetragen.
Im Zuge der Winterspiele 1984 kam Borsa noch einmal zur Sprache; in Erinnerung an Marusarz hätten Polen und der Ostblock eine Nominierung Borsafüreds unterstützt, doch Nicolae Ceaușescu entschied sich anders.
Der Diktator war der Ansicht, dass Rumänien keine Goldmedaille gewinnen würde, und sah deshalb kein Propagandapotenzial in der Ausrichtung der Spiele.
Den Gnadenstoß gab den Anlagen schließlich die wilde Privatisierung nach dem Systemwechsel. Aus dem Hotel Hóvirág, in das Skifahrer einst in vollstem Luxus einkehrten und das eine der modernsten Wintersportanlagen in ganz Europa war, ist inzwischen eine gähnend leere Ruine geworden.
Der derzeitige Bürgermeister Ion Sorin Timis, der auch dem Dreh des Dokumentarfilms offen gegenüberstand, hat die Vorzüge der Landschaft erkannt. Er ist sich bewusst
dass Ungarn in diesen Bergen einst eine Winterolympiade veranstalten wollte, und strebt danach, in Borsafüred erneut Pisten auf Weltniveau zu errichten.
Mittels Finanzierung aus Ausschreibungen wird nun wieder gebaut, der Skilift wird um weitere Abschnitte erweitert und es sind auch neue Skipisten angelegt worden. Somit waren die Bemühungen unserer Vorgänger vielleicht doch nicht vergebens, und in ein paar Jahren könnte in dieser märchenhaften Berglandschaft ein Skiparadies entstehen – ähnlich dem, das sich der Ungarische Skiverband erträumt hatte.
MAGYARUL: https://orszagut.com/kitekinto/erdelyi-teli-alom-3807