Europa steuert heute auf einen Krieg zu

5. November 2025 Interview mit Viktor Orbán in der Sendung von „Rádió Kossuth 31.10.2025″

Zsolt Törőcsik: Diese Woche gab es mehrere beunruhigende Nachrichten aus Europa, die auf eine Verschlechterung der aktuellen Sicherheitslage hindeuten. Der belgische Verteidigungsminister sagte, wenn Putin eine Rakete auf Brüssel abschießen würde, würden wir Moskau von der Landkarte tilgen. Britische Verteidigungschefs würden ihre Atomwaffen mit Berlin teilen, und in Kroatien wurde die Wehrpflicht wieder eingeführt. Ich werde Ministerpräsident Viktor Orbán auch dazu fragen, in welche Richtung diese Erklärungen, Pläne und Maßnahmen weisen.

  • Wohin steuert Europa Ihrer Meinung nach angesichts der eben aufgeführten Nachrichten?

Zu den aufgeführten Nachrichten möchte ich noch eine hinzufügen, dass die Großmächte der Welt neue Waffensysteme vorstellen, und diese werden immer effektiver. Wir befinden uns also spürbar am Anfang eines Wettrüstens, einer Spirale, und alle sprechen von einer massiven Aufstockung der Militärbudgets. Der menschliche Verstand ist nun einmal so, dass er, wenn er nach Anhaltspunkten sucht, um eine Situation zu verstehen, oder wenn er aus den gegenwärtigen Ereignissen Rückschlüsse auf die Zukunft ziehen will, sich der Vergangenheit zuwendet, also nach Mustern sucht. Ich arbeite auch so: Wenn ein Fall kommt, der etwas ähnelt, hole ich eine Akte hervor und weiß, wie es damals war. Ich denke, das trifft im Großen und Ganzen zu, nicht nur für diejenigen, die im Bereich der Organisationsführung arbeiten, sondern auch für diejenigen, die sich mit dem Verständnis der Welt beschäftigen.

Es gibt ja zwei Analogien: Ich schaue mir internationale Analysen und Studien an, mit denen versucht wird, die heutige Situation zu verstehen.

Die eine geht auf den Zweiten Weltkrieg zurück, die andere auf den Ersten.

Es gibt Leute, die sagen, dass wir uns in derselben Situation wie 1938 befinden: Hitler rückt vor, die europäischen Großmächte halten ihn nicht rechtzeitig auf, sondern einigen sich lieber, und diese aufeinanderfolgenden kleinen Kompromisse und Friedensabkommen führen uns schließlich zu einem mächtigen, großen Nazi-Deutschland, aus dem der Zweite Weltkrieg hervorgeht. Es gibt Leute, die den aktuellen Konflikt so interpretieren. Ich bin damit nicht einverstanden, aber das ist für die Zuhörer jetzt vielleicht uninteressant.

Das andere, was meiner Interpretation näherkommt, ist der Erste Weltkrieg, in dem eigentlich niemand einen großen Krieg wollte. Jeder wollte etwas, aber niemand wollte einen großen europäischen Krieg. Und am Ende gerieten die europäischen Staats- und Regierungschefs in eine Situation, aus der es kein Zurück mehr gab. Ich sehe derzeit eine ähnliche Stimmung. Ich habe das Gefühl,

dass die europäischen Staats- und Regierungschefs nicht erkennen, dass sie mit dem Feuer spielen, sie nicht erkennen, dass einzelne Entscheidungen, neue Waffensysteme, mehr Geld für die Ukraine, noch mehr Soldaten, Wehrpflicht etc, also Maßnahmen, die sich zu einem gefährlichen Gemisch, zu einem Zündstoff zusammenfügen können, der irgendwann explodiert.

Meiner Meinung nach steuert Europa heute auf einen Krieg zu. Es fallen Sätze, die man bei hochrangigen Beratungen nicht für möglich halten würde. Eine Großmacht sagt, dass wir beispielsweise Deutschland wieder aufrüsten werden. Wir werden Europas größte Armee haben, die meisten Soldaten, die meisten Waffen, die größte Rüstungsindustrie. Oder Ursula von der Leyen sagt, dass wir in fünf Jahren für den Krieg bereit sein müssen. Das sind alles sehr, sehr gefährliche Äußerungen, und diejenigen, die sie machen, denken nicht darüber nach, dass es sich dabei um sich selbst erfüllende Prophezeiungen handeln könnte. Wenn man eine Pistole auf den Tisch legt – eine alte Theaterregel –, wird früher oder später etwas damit passieren, vielleicht wird sie abgefeuert.

Ich habe also das Gefühl, dass Europa heute benebelt auf eine Situation zutorkelt, die eine immer unmittelbarere Kriegsgefahr darstellt. Und deshalb sage ich den Ungarn, mir selbst, der Regierung, den Menschen, Ihnen, allen, dass wir uns jetzt entschließen müssen, uns auch im Falle einer ungünstigen Wendung der Ereignisse nicht hineinziehen zu lassen.

Während alle unbewusst auf einen Krieg zusteuern, müssen wir ganz bewusst festbleiben, auf der Seite des Friedens verbleiben und im Voraus verkünden, dass wir uns aus allen aktuellen kleinen Entscheidungen heraushalten werden, damit wir uns am Ende nicht mitten in einem Krieg wiederfinden.

Daher ist es für die Zukunft Ungarns von entscheidender Bedeutung, dass das Land eine kriegsfeindliche und friedliebende Regierung hat und dass auch die Menschen dies verstehen, sich daran beteiligen und ihren Willen zum Ausdruck bringen, dass sie nicht gemeinsam mit den europäischen Ländern in eine gefährliche Situation stolpern wollen, sondern sich rechtzeitig daraus heraushalten. Das ist meiner Meinung nach der Schlüssel zu dieser Situation.

  • Ja, vor dem Ersten Weltkrieg fiel tatsächlich ständig ein Dominostein nach dem anderen, aber wie realistisch ist es in der aktuellen Situation überhaupt, über Frieden zu sprechen und ein Friedenslager zu organisieren, was beispielsweise das Ziel Ihrer Reise nach Rom war?

Die Lage ist viel besser als früher. Heute wollen die Europäer Krieg. Sie sprechen also offen darüber, dass man sich darauf vorbereiten muss, dass sie einen Krieg gegen Russland führen werden. Wir haben solche Erfahrungen gemacht, nicht nur einmal, nicht nur zweimal, wir geben ihnen keine Ratschläge, aber sie sind die Großen, wir sind die Kleinen, wir sind schon froh, wenn wir unser eigenes Schicksal beeinflussen können, geschweige denn glauben, dass wir die Absichten der Großen ändern können. Natürlich stehen wir zur Verfügung, auch wenn wir klein sind, denn unser Gehirnvolumen ist in Ordnung, also haben wir Gedanken, Aussagen und Vorschläge, aber

Ungarn hat nicht genug Macht, um die Großmächte zu zwingen, sich rationaler zu verhalten. Aber es ist unsere Pflicht, diese Abgründe, über die wir hier sprechen, aufzudecken und alle zu zwingen, in den Brunnen zu schauen, damit jeder, der von Krieg spricht, sich über die möglichen Folgen seiner Worte im Klaren ist.

Vor einem Jahr war die Lage jedoch noch schlimmer, denn damals standen auch die Amerikaner auf der Seite des Krieges. Jetzt sind nur noch die Europäer und die Ukrainer übrig. Die Amerikaner stehen auf der Seite des Friedens, und auch die Russen sind so weit gekommen, dass sie unter bestimmten, mittlerweile als bekannt geltenden Bedingungen bereit sind, Frieden oder einen Waffenstillstand zu akzeptieren. Die Ukrainer führen auch weiterhin einen Verteidigungskrieg, sie wollen keinen Frieden schließen, was zwar verständlich ist, aber für uns ist es eine äußerst ungünstige Entwicklung, dass sie 20 bis 22 Prozent ihres Territoriums verloren haben und sich damit nicht abfinden können und deshalb lieber den Krieg fortsetzen.

Die Europäer finanzieren diesen Krieg, obwohl es offensichtlich keine Lösung für ihn gibt und er an der Front nicht zum Stillstand kommt.

Wer glaubt, dass in diesem Krieg ein militärischer Sieg errungen werden kann, wenn die Russen glauben, dass sie die Ukraine unterwerfen können, und die Ukrainer glauben, dass sie die Russen aus dem bereits besetzten Gebiet vertreiben können und deshalb den Krieg fortsetzen müssen, wer so denkt oder dies sagt, der irrt sich.

Dies wird zu einer eingefrorenen Situation führen, zu einer festgefahrenen Frontlinie, an der ständig Kriege geführt werden, unermesslich viele Menschenleben verloren gehen, viel Geld verschlungen wird, und die Debatte darüber kann dazu führen, dass das eine oder andere europäische Land in diesen Konflikt hineingezogen wird. Wir befinden uns in einer sehr gefährlichen Situation.

  • Ja, aber die Europäische Union sagt, dass sie Frieden will, nur dass sie dies durch die Unterstützung der Ukraine erreichen will.

Sie sagen nicht die Wahrheit.

  • Aber wie lange kann die Europäische Union diese Unterstützung aufrechterhalten?

Wer Frieden will, schafft Frieden. Also lassen wir die Märchen, wir sind doch keine Kinder! Wir sind also über das Stadium hinaus, dass jemand etwas sagt und dann das Gegenteil tut, und wir merken das nicht oder tun so, als wäre das kein Widerspruch. Heute will nur eine Großmacht Frieden, die Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn wir Frieden wollten, würden wir den Präsidenten der Vereinigten Staaten unterstützen. Aber wir unterstützen ihn nicht, sondern sagen alles Mögliche und tun dann das Gegenteil von dem, was wir tun könnten, um dem amerikanischen Präsidenten beim Friedensschluss zu helfen. Das heißt,

das größte Hindernis für die Friedensbemühungen und Friedensinitiativen des amerikanischen Präsidenten ist heute die Gruppe europäischer Länder, die sich selbst als Koalition der Willigen bezeichnet.

Sie sind bereit, andere in den Krieg zu schicken, damit sie sterben, denn sie selbst gehen natürlich noch nicht, sie rüsten sich nur auf. Heute besteht also zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union ein wesentlicher Widerspruch hinsichtlich der Art und Weise, wie der Krieg beendet werden soll, aber wir geben das nicht zu, wir wollen keine transatlantische Spaltung, keinen Konflikt heraufbeschwören. Wir wollen auch die Bürger, nicht in den Vordergrund einer solchen Konfrontation rücken, sondern sagen, dass sich alle beruhigen sollen, denn eigentlich wollen die Westler, Europäer und Amerikaner im Grunde dasselbe. Aber das stimmt nicht!

  • Wie lange kann die europäische Wirtschaft die Ukraine noch unterstützen? Denn Selenskyj hat diese Woche gesagt, er habe die europäischen Staats- und Regierungschefs aufgefordert, der Ukraine noch eine Zeit lang stabile finanzielle Unterstützung zu gewähren.

Der erste und wichtigste Satz lautet meiner Meinung nach:

Wer die Ukraine unterstützt, unterstützt den Krieg.

Wer also heute die Ukraine unterstützt, unterstützt eine Ukraine, die einen Krieg führen will, also unterstützt er den Krieg selbst. Und da für einen Krieg Geld, Geld und nochmals Geld benötigt wird, unterstützt jeder, der die Ukraine und damit den Krieg unterstützt, gleichzeitig auch Steuererhöhungen und die Entziehung von Geldern durch die nationalen Regierungen, denn Brüssel hat kein Geld. So etwas wie Brüsseler Geld existiert also nicht. Das ist ein schönes Märchen, das die Europäische Union in vielen Ländern verkauft hat und das vielleicht von weniger kritischen Völkern geglaubt wird, aber in Wirklichkeit hat Brüssel kein eigenes Geld. Es versucht, eigene Steuern zu erheben, aber das ist ein vernachlässigbarer Betrag.

Das Geld Brüssels besteht aus dem Geld, das wir, die Mitgliedstaaten, nach Brüssel schicken. Wenn also Brüssel Unterstützung leistet oder die Union Kredite aufnimmt, für die wir, die Mitgliedstaaten, letztendlich als Sicherheit stehen, wenn also Brüssel Geld in die Ukraine schickt, ist das immer auch unser Geld.

Nicht nur unseres, aber auch unseres. Aus dem nächsten Siebenjahreshaushalt, dessen Entwurf auf dem Tisch liegt, das ist der bereits durch die Mitgliedsstaaten zusammengestellte Haushalt, würden mehr als 20 Prozent direkt oder über versteckte Kanäle an die Ukraine gehen, während die europäische Wirtschaft in großen Schwierigkeiten steckt. Meiner Meinung nach gibt es also kein Geld mehr, in der Europäischen Union gibt es kein Geld. Wir wollen auf die Weise einen Krieg finanzieren, wir wollen den Ukrainern auf die Weise Geld geben, wir wollen die ukrainische Armee auf die Weise aufrechterhalten, dass wir zugleich dafür keinen einzigen Cent haben. Entweder muss man es den Mitgliedstaaten wegnehmen, deshalb spricht die Tisza meiner Meinung nach von einer Rentensteuer, deshalb will sie die Steuern erhöhen, weil sie weiß, dass in Brüssel mehr Geld eingezahlt werden muss oder dass in Brüssel gemeinsam noch größere Kredite aufgenommen werden müssen, was dann Konsequenzen hat, das dicke Ende kommt dann, denn diese Kredite müssen zurückgezahlt werden. Ein weiterer großer Posten im nächsten Siebenjahreshaushalt ist neben den für die Ukrainer bestimmten Geldern die Zinslast der zuvor aufgenommenen Kredite. Und diese wächst und wächst und wächst und wird uns am Ende erdrücken, was zu einer klassischen Schuldenkrise führen wird.

Ministerpräsident Viktor Orbán wurde von Zsolt Törőcsik am 31. Oktober 2025 für die Sendung „Jó reggelt Magyarország “ in Kossuth Rádió interviewt. Ein Ausschnitt aus dem Interview .

MAGYARUL: https://miniszterelnok.hu/orban-viktor-interjuja-a-kossuth-radio-jo-reggelt-magyarorszag-cimu-musoraban-2025-10-31/


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert