3. November 2025 Magyar Nemzet von László Földi
Selbstverständlich gibt es in Brüssel Spionage – aber weder dort noch jetzt und auf die Art und Weise, wie es die angeblich so gut informierten Kreise oder die Kommentatoren von der Seitenlinie derzeit glauben machen wollen.
Wer und was könnte das Ziel der Geheimdienste eines Mitgliedstaates in Brüssel sein?
In der Europäischen Union können nämlich die Mitgliedstaaten legal alle Informationen und Dokumente anfordern und einsehen. Es gibt jedoch Informationen und Pläne, die sich in Vorbereitung befinden und welche die zuständigen Organe der Europäischen Union nur mit einigen ausgewählten Mitgliedstaaten teilen möchten. Darüber hinaus hat
die Bürokratie der Europäischen Kommission unter schwerwiegender Verletzung der Verträge der Europäischen Union nicht selten politische Verleumdungskampagnen gegen einzelne Mitgliedstaaten geplant und durchgeführt,
welche sie natürlich geheim halten wollte, und als dies – ebenso natürlich – ans Licht kam, hat sie alles geleugnet.
Allerdings ist auch dann kein Geheimdienst eines Mitgliedstaates gezwungen, operative Maßnahmen zu ergreifen, da jeder in Interpellationen und öffentlichen Sitzungen der Delegierten fragen kann, warum er zu einem bestimmten Thema nicht informiert wurde.
Was hat es dann mit dieser ungarischen Spionageaffäre auf sich?
Versuchen wir, den Hintergrund zu entwirren, „spionieren” wir selbst ein wenig! Abgesehen davon, dass die ungarische Regierung in den Augen der mächtigen Brüsseler Führung ein politischer Dorn im Auge ist, ist es
seit langem gängige Praxis der Europäischen Kommission, die Mitgliedstaaten schichtweise unterschiedlich zu behandeln.
Es gibt die Guten und es gibt die, die zu widersprechen fähig und in den Augen der Kommission ziemlich „unruhige Geister“ sind. Ungarn sieht sich am häufigsten damit konfrontiert, dass ihm das, was andere tun dürfen, unter Androhung von Strafen verboten ist. Denken wir nur an die Verteilung der Migranten! Ungarn war mit einer Geldstrafe belegt worden, weil es die obligatorische Aufnahme ablehnte, während Polen von der Quote befreit wurde.
Gleichzeitig lässt sich nachweisen, dass zahlreiche Spione in Brüssel ständig tätig sind. Seltsamerweise sickern darüber nur wenige Informationen durch, was natürlich eine „interne” Erklärung erfordert.
Die Länder, welche nicht Mitglied der Europäischen Union sind, sind mit einem recht großen operativen Stab in Brüssel vertreten.
Unter anderem sind die Geheimdienste Russlands, Chinas, Israels, Saudi-Arabiens, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten präsent und gehen ihrer Arbeit nach. Die Spionageteams der aufgeführten Länder sind allesamt sogenannte gegnerische Organisationen, da sie nicht auf der Liste der EU-Mitglieder stehen.
„Gegeninteresse” ist nicht gleichbedeutend mit „Feind”
Die Union befindet sich mit keinem der aufgeführten Staaten im rechtlichen Sinne im Krieg, daher kann nur von Gegeninteressen gesprochen werden. Dennoch sind operative Geheimdienstaktivitäten gegen EU-Institutionen natürlich inakzeptabel, müssen in jedem Fall aufgeklärt und ausgewertet werden. Paradoxerweise sieht die Realität jedoch so aus, dass der belgische Dienst, der für die Sicherheit der Europäischen Union zuständig ist, nicht nur einige „externe“ Interessenten nicht als Bedrohung einstuft, sondern zu zwei der aufgeführten Dienste sogar ungerechtfertigte vertrauliche Beziehungen unterhält.
Sie arbeiten kritiklos mit dem britischen MI6 und der amerikanischen CIA zusammen und akzeptieren sogar, dass sie in unzähligen Fällen die Anweisungen dieser beiden Organisationen ausführen müssen.
Natürlich sind der britische und der amerikanische Dienst NATO-Verbündete, aber die Europäische Union und die NATO sind zwei getrennte Institutionen, so dass die Nichtbeachtung dieser Tatsache doch ein klitzekleines Sicherheitsrisiko darstellen könnte. Schon allein deshalb, weil die Union in letzter Zeit sogar in einen Zollkrieg mit den USA verwickelt wurde.
Bleiben wir jedoch beim „ungarischen Fall”!
Wenn wir davon ausgehen, dass es auf ungarischer Seite tatsächlich zu einer fachlich missverständlichen Situation gekommen ist, sollte dies unbedingt öffentlich diskutiert werden. Aber warum erst jetzt, zehn Jahre nach dem umstrittenen Fall? Falls sich die Vorwürfe nach dem Abklingen des Medienrummels nicht bestätigen lassen, wie werden dann die zuständigen Damen und Herren in Brüssel mit der Tatsache umgehen, dass sie die Öffentlichkeit unnötig aufgewühlt und die Regierung eines verbündeten Landes diskreditiert haben?
Vielleicht können wir diese Frage auch hier in Ungarn beantworten: gar nicht. Was auch immer der ungarische Geheimdienst vor etwas mehr als zehn Jahren unternommen hat, er kann darüber mit Sicherheit Rechenschaft ablegen, natürlich mit dem Nachteil, dass er das eben nicht öffentlich machen kann.
So ist dieser Verdacht – aufgrund der Situation auf ewig – perfekt geeignet, um die Regierung Orbán zu diskreditieren.
Das war´s: Die Aktion hat ihr Ziel erreicht! Gleichzeitig wäre es sinnvoll, öffentlich zu machen, auf welcher Grundlage die Geheimdienste der NATO-Mitglieder, die nicht der EU angehören, Zugang zu Informationen erhalten, die sie nicht betreffen, und wie sie operativ die Sicherheitskontrollen der Europäischen Union umgehen können? Aber lassen wir die theoretischen Phrasen beiseite, denn was aus subjektiven und objektiven Gründen nicht geändert werden kann, muss überwunden werden.
Der aktuelle Fall ist Teil einer mehrstufigen Aktionsreihe
Dazu gehört, dass die Europäische Union Ungarn die ihm zustehenden Fördergelder nicht auszahlt, oder die Behauptung, dass einige Mitglieder der Orbán-Regierung prinzipienlose Unterstützer des russischen Präsidenten Putin wären.
Aber auch die Tatsache, dass vor nicht allzu langer Zeit einer der ukrainischen Generäle offen gedroht hat, dass seine Soldaten in Ungarn für Ordnung sorgen würden, und zwar durch die Absetzung der Orbán-Regierung, passt in diese Reihe von Maßnahmen.
Und nun – zehn Jahre später – hat sich herausgestellt, dass die Ungarn auf niederträchtige Weise den armen, schutzlosen Brüsseler Apparat ausspioniert haben sollen.
Ja, April 2026 rückt näher, und wie schön wäre es doch, denken viele westliche Politikkreise, am Tag nach den ungarischen Wahlen aufzuwachen und festzustellen, dass Viktor Orbán nicht mehr der demokratisch gewählte Ministerpräsident Ungarns ist. Und da dieses Verlangen in der letzten Zeit überhandgenommen hat, werden in den kommenden Monaten noch viele ähnliche Fälle für Sensationen in den dafür geeigneten Medien sorgen.
Der Autor, László Földi ist Geheimdienst-Experte und Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung für eine geschützte Gesellschaft.
MAGYARUL: https://magyarnemzet.hu/velemeny/2025/10/brusszel-magyarorszag-lejaratas-kemugy-titkosszolgalat
Deutsche Übersetzung von Dr. Andrea Martin