11. Oktober 2025
Wir Ungarn sind sehr glücklich, dass ein Ungar den Nobelpreis für Literatur erhalten hat. Die ungarische Nation wird nicht durch Geografie, Staatsgrenzen oder Blut zusammengehalten, sondern durch Sprache, Kultur, Geschichte und einen gemeinsamen Geist. Ohne Literatur gäbe es keine ungarische Nation. Der Nobelpreis für László Krasznahorkai ist für die Ungarn ein Beweis für ihre Existenz.
Zum Preisträger der renommiertesten Literaturpreises der Welt wurde László Krasznahorkai gewählt. Das hat die Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm verkündet. Der Ständige Sekretär der Akademie, Mats Malm, sagte bei der Bekanntgabe, dass er den Preisträger gerade telefonisch in Frankfurt erreicht habe.
Der 71-Jährige Autor werde
»für sein überwältigendes und visionäres Werk geehrt, das inmitten eines apokalyptischen Terrors die Macht der Kunst bekräftigt«,
erklärte die Schwedische Akademie. Vielen Experten gilt er als der bedeutendste ungarische Autor der Gegenwart.
Krasznahorkai ist der zweite ungarische Literaturpreisträger – nach Imre Kertész (1929-2016), der 2002 ausgezeichnet worden war.
László Krasznahorkai wurde am 5. Januar 1954 in der südostungarischen Stadt Gyula als Sohn eines Anwalts geboren. Er studierte auch zunächst Jura in Szeged, später aber Hungarologie und Kulturwissenschaft in Budapest.
Krasznahorkai hat seit den achtziger Jahren, also noch zu Zeiten der ideologischen Teilung Europas, Aufmerksamkeit auch außerhalb seines Landes erweckt.
Zunächst, ostblocktypisch, mit dystopischen Stoffen, dann, nach dem Einschnitt von 1989, mit immer noch allegorischen, aber viel mehr dem Privaten zugewandten, lebensbejahenden Büchern.
Sein erster Roman »Satanstango« (1985) spielte in einer ländlichen Region wie seiner Herkunftsgegend nahe der rumänischen Grenze. Er beschrieb darin die Agonie der staatssozialistischen Verhältnisse. 1994 wurde der Roman nach Krasznahorkais Drehbuch von Béla Tarr verfilmt.
In Deutschland wurde László Krasznahorkai schon früher entdeckt: Ein erster Band erschien 1988, und dann kam er auch schon mit dem Roman „Satanstango“ – der bis heute einer seiner bekanntesten geblieben – 1990 zu Rowohlt. Für den deutschen Sprachraum machte sich der Zürcher Ammann-Verlag schon von 1990 an mit Übersetzungen verdient; seit 2010 erscheinen Krasznahorkais Werke beim Verlag S. Fischer. Er hat den Preis der SWR-Bestenliste: (1993), den Brücke Berlin Literaturpreis (2010) (der für Werke verliehen wird, die eine kulturelle Brücke zwischen verschiedenen Kulturen schlagen) erhalten.
Die US-Autorin Susan Sontag bezeichnete Krasznahorkai nach der Lektüre seines zweiten Romans, der auf Deutsch »Melancholie des Widerstands« heißt, als »Meister der Apokalypse«, der den Vergleich mit Gogol oder Melville nahelege. Es war sein erstes Buch, das ins Englische übersetzt wurde.
Krasznahorkai ist ein leidenschaftlicher Reisender. 1987 und 1988 war er bereits als Gast des DAAD-Künstlerprogramms in Berlin. Längere Zeit hielt er sich in Japan auf, was seinen Roman »Im Norden ein Berg, im Süden ein See, im Westen Wege, im Osten ein Fluss« (2005) und den Erzählband »Seiobo auf Erden« (2010) beeinflusste.
Sein Stil gekennzeichnet durch lange, komplexe Sätze. Diese lege er sich in Alltagssituationen in seinem Kopf zurecht, bis er sie irgendwann niederschreibe. »Mein Ehrgeiz ist es, wenigstens einen perfekten Satz zu schreiben«, sagte er einmal. »Ich habe es wieder und wieder versucht, und mit der Zeit wurden die Sätze immer länger … weil ja auch unser Denken ein endloser stürmischer Prozess ist.«
Zu den zahlreichen Preisen, die László Krasznahorkai zuvor bereits erhalten hat, zählte 2015 der britische International Booker Prize. In der Jurybegründung wurde er als
»visionärer Autor von außergewöhnlicher Intensität und Breite im Ausdruck,
der den Alltag der Gegenwart in Szenen einfängt, die seltsam, beängstigend, verstörend komisch und erschütternd schön sind«, gewürdigt. Spätestens seit er 2015 den internationalen Booker-Preis erhielt, zählte er in der englischsprachigen Welt zu den ganz Großen.
Er ist Kult auch bei jüngeren Leuten in Ungarn aber er ist auch ein vehementer der aktuellen ungarischen Verhältnisse, und wünscht sich ein anderes, ein weltoffeneres Ungarn.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán würdigte die Auszeichnung: »Der Stolz Ungarns, der erste Nobelpreisträger aus der Stadt Gyula, László Krasznahorkai. Glückwünsche!«, erklärte Orbán im Facebook. Krasznahorkais Antwort war: Ich danke Orbán für seine Glückwünsche. Aber ich werde seine politischen Handlungen und Vorstellungen immer ablehnen.
Der 71-Jährige Schriftsteller wiederum deponierte 2024 „vorsorglich“ seinen literarischen Vorlass im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek.
Der Nobelpreis ist mit elf Millionen schwedischen Kronen (rund eine Million Euro) dotiert. Die Auszeichnungen werden am 10. Dezember vergeben, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.