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Die Demut erhebt uns, Hochmut und Neid uns aber erniedrigen

5. November 2024

Mahnungen Istváns des Heiligen an seinen Sohn, Imre. Die Mahnungen sind im Kodex von Admont (12. Jh.) erhalten, sie stehen auch an erster Stelle des Corpus Iuris Hungarici (16.Jh.)- Die Mahnungen stammen entweder unmittelbar von König István oder sind unter seiner Anleitung verfaßt worden. Sie sind gerichtet an seinen einzigen Sohn Imre, der 1031 auf einer Wildschweinjagd ein tragisches Ende fand, und für seinen beispielhaften Lebenswandel 1083 heilig gesprochen wurde. Der Heilige Imre ist der Schutzpatron der ungarischen Jugend.

Mitten unter Schätzen und Herrlichkeiten bist Du, mein Sohn, geboren und erzogen werden, und kennst die Sorgen des Kriegsführens und Regierens nicht, unter denen sozusagen mein ganzes Leben verstrich. Die Zeit mahnt Dicht, dass Du Dich vom Lager der Weichlichkeit erhebest, welches Dich entmannen und schwachköpfig machen könnte, und dass Du Deiner Seele mitunter Schärfe und Stärke verleihest, damit sie für meine Lehren empfänglich werde.

Die Krieger, mein treuer Sohn, sind Deine Väter und Brüder; nenne keinen von ihnen Deine Diener, und entwirf keinen von ihnen, der Knechtschaft. Sie sollen für Dich streiten, aber dienen sollen sie Dir nicht. Herrsche über sie alle in Frieden, ohne Zorn, Hochmut und Neid, mit Demut und Milde, und halte Dir stets in Erinnerung, dass die Demut uns erhebt, Hochmut und Neid uns aber erniedrigen. Wenn Du diesen meinen Rat befolgest, wird man von Dir sagen, Du seist ein König und der Sohn eines Königs, und Du wirst geliebt sein von allen Tapferen; wenn Du die Herren und Vornehmen geringschätzest, wenn Du hochmütig, neidisch, aufbrausend bist, wird die Macht der Krieger nur dazu dienen, Deine königliche Würde stumpf zu machen, und Dein Reich wird an Fremde übergehen.

So irgendeine Sache zum Urteilspruche oder ein todeswürdiger Übeltäter vor Dich gebracht wird, werde nicht hitzig, mein treuer Sohn, und schwöre nicht, dass er gewiss büßen solle – ein Schwur, der dennoch nicht Bestand haben kann, weil man unvernünftige Gelübde brechen muss; – sprich das Urteil nicht selbst, weil Deine königliche Würde durch die Anmaßung solcher Geschäfte leicht Einbuße erleiden könnte, sondern betraue damit die dazu berufenen Richter; diese mögen darüber im Sinne des Gesetzes urteilen. Scheue Dich, Richter zu sein; aber freue Dich, König zu sein und König zu heißen. Duldsame Könige regieren, unduldsame tyrannisieren. Wenn aber eine Angelegenheit vor Dich gelangt, worüber Du selbst das Urteil fällen musst, so sprich es im Sinne der Duldsamkeit und Barmherzigkeit.

Das Römische Reich hat besonders deshalb so zugenommen und seine Fürsten sind dadurch so ruhmreich und so mächtig geworden, weil zahlreiche Edle und Weise aus verschiedenen Ländern sich dort zusammenfanden . . . So wie die Ansiedler aus verschiedenen Ländern und Provinzen kommen, ebenso bringen sie auch verschiedene Sprachen und Sitten, verschiedene lehrreiche Dinge und Waffen mit sich, welche den königlichen Hof zieren und verherrlichen, die auswärtigen Mächte aber erschrecken.

Darum, mein Sohn, trage ich Dir auf, begegne ihnen und behandle sie anständig, damit sie mit und bei Dir lieben verweilen als anderswo, denn wenn Du das, was ich erbaute, zerstören, was ich ansammelte, auseinanderstreuen wolltest, dann würde Dein Reich ohne Zweifel erheblichen Schaden leiden.

Es ist ruhmvoll und wahrhaft königlich, die Gesetze der Vorfahren zu befolgen und den ehrwürdigen Ahnen nachzueifern.

Wer die Ratschlüsse seiner Vorfahren verachtet, der wird auch die Gesetze Gottes nicht beobachten.

Halte Dich daher, mein lieber Sohn, stets an meine Anordnungen, folge ohne Zögern meinen Sitten, welche, wie Du siehst, der königlichen Würde angepasst sind. Es würde Dir schwerfallen, ein Reich wie dieses zu regieren, wenn Du nicht in die Fußstapfen derjenigen trittst, welche vor Dir die Regierung führten. Welcher Grieche wollte über die Lateiner nach griechischer Weise, und welcher Lateiner über die Griechen nach lateinischer Weise herrschen? Folge daher meinen Gebräuchen, damit Du unter Deinigen als Höchster geltest und in den Augen der Fremden des Lobes würdig befunden werdest.

Um 1030, aus dem Lateinischen übersetzt. – Aus dem Buch „Ungarns Geschichte und Kultur in Dokumenten, herausgegeben von Julius von Farkas. Wiesbaden, 1955

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