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Neubeginn und Kontinuität: 50. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen Ungarn und (West-) Deutschland

Mit einer internationalen Konferenz würdigten die Nationale Verwaltungsuniversität (NKE), das Deutsch-Ungarische Jugendwerk und die Andrássy-Universität Budapest am 4. Dezember das 50. Jubiläum der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Ungarn und (West-) Deutschland. Festrede des Botschafters von Ungarn in Berlin, Dr. Péter Györkös

50 Jahre sind keine Kleinigkeit. Besonders, wenn ich bedenke, dass ich 1973 ja noch Grundschüler war, dann aber die Hälfte meiner bisherigen 35 Karrierejahre direkt in den bilateralen Beziehungen, die andere Hälfte im europäischen Kontext verbuchen kann. Ich kann begründet behaupten, dass die ungarisch-deutschen Beziehungen ohne europäischen Kontext nicht deutbar sind. Das ergibt schon mal 35 der 50 Jahre.

Die ungarisch-deutschen Beziehungen kann man kaum erörtern, ohne die innenpolitische Verkleidung zu schleifen oder gar noch tiefer zu gelangen. Ich selbst bin ein Vertreter der „alten Schule“. Meine Grundauffassung beruht sich auf dem 3. Artikel der Wiener Übereinkommen von 1961. Oder wie Wolfgang Ischinger in einem seiner Bonmots einem meiner Berliner Kollegen anlässlich dessen verbalen Ausfalls riet: „explain your own country’s policies, and lobby the host country – but never tell the host country what to do, if you want to stay out of trouble.”

Für meine heutige Rede habt ihr mir drei Themen vorgegeben. Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der ungarisch-deutschen Beziehungen. Vom ersten und dritten kann ich risikolos sprechen. Das zweite ist schon sumpfiger, aber spannend und inspirierend. Die Erörterung der Gegenwart ist untrennbar von unserer gemeinsamen Vergangenheit. Ohne sie können wir schon mal das Steuer verreißen, wenn wir uns aufs Meer der Zukunft wagen.

Sehen wir die Vergangenheit. Mehr als 1000 Jahre. Eine besondere Verbindung mit schwierigen Kapiteln, aber in ihrer Gesamtheit ein romantischer Roman. Der Beginn war unromantisch. Von Meißen über Paderborn bis nach Bremen erzitterte man vor ungarischen Pfeilen. Die ausge-schwärmten Ungarn beschleunigten in nicht geringem Maß den Prozess der Selbstorganisation des Deutsch-Römischen Reiches, der dann 955 in Lechfeld mit der Niederlage des ungarischen Heeres zu Ende ging. 1000 Jahre später schrieb ein ehemaliger britischer Botschafter in Budapest über uns das Buch „The Will to Survive – A History of Hungary“. Nach der Niederlage vom Lechfeld gaben das ungarische Volk und sein Anführer die erste Erklärung dafür, was das nun bedeutete. Fürst Géza berief den Magdeburger Studenten, Vojtech, dem späteren Adalbert zum Lehrer seines Sohnes. Dieser Sohn holte sich sodann aus Rom die Krone, aus Bayern die Ehefrau. Schon damals gab es bei und um uns globale Kämpfe und die Ungarn haben nicht das Zeichen von Byzanz gewählt.

Weil das ungarisch-deutsche Verhältnis grundsätzlich im europäischen Kontext betrachtet werden kann und muss, begeben wir uns auf eine imaginäre Reise von Budapest nach Brüssel. Die erste Grenze, die wir passieren, ist nicht die deutsche. Dabei fühlten sich doch so viele von uns, als seien wir Nachbarn. Doch Ungarn gehörte weder zur Germanica-Slavica, noch zur Germanica-Romana. Mit offenen Armen nahm es die ihm dargebotene Unterstützung zur westlich-christlichen Orientierung an, der Germanisierung widerstand es jedoch. Mit offenen Armen empfing es die nach der türkischen Besatzung sich ansiedelnden Deutschen, aber auch den Germanisierungs- versuchen seitens des Wiener Hofes widerstand es. Im Kleinlandschaft Plattenseeoberland (Balaton-felvidék) gibt es ein schönes kleines Dorf, Barnag. Auf der Geburtsurkunde meiner Mutter steht Németbarnag (Deutschbarnig), und daneben war Magyarbarnag – ein schönes Beispiel für Koexistenz.

Wir erreichen Deutschland auf der A3 nahe Passau, wo die Gebeine der Seligen Gisela im Kloster
Niedernburg ruhen.
Nach weiteren 700 Kilometern verlassen wir Deutschland auf der A4 bei Aachen wieder, dort wo das Symbol des Karolinger Europa steht. Der Aachener Dom hat seit dem XIV. Jahrhundert eine ungarische Kapelle. Vor ihr steht eine Stephans-Skulptur von Imre Varga. Unweit, im legendärem Rhöndorfer Rosengarten des großen Kanzlers, steht eine weitere Schöpfung des ungarischen Künstlers. Sie bildet Adenauer und de Gaulle ab.

Wenn wir nun aber zwischen Passau und Aachen hier oder da von der Autobahn abfahren, können wir in Nürnberg das (ajtósi) Dürerhaus, in Bamberg die Stephansstaue im Dom, auf derWartburg, in Marburg an der Elisabethkirche und dem Rathaus zahlreiche ungarische Wappen erblicken.

Aber es war nicht nur die „katholische Verbindung“, die sehr stark war. Viele hundert junge Ungarn waren in Wittenberg Studenten von Luther und Melanchthon, nahmen das Album Amicorum mit in ihre dreigeteilte Heimat. Bei der Luther-Ausstellung 500 Jahre später war das wichtigste Exponat in der letzten Vitrine Luthers handschriftliches Testament, ein Geschenk der Ungarischen Evangelischen Kirche. Bei der Eröffnung des Jubiläumsjahres hielt im Namen der ausländischen Gäste der Staatspräsident Ungarns die Festrede, und ein Jahr später waren die letzten Besucher der Luther Ausstellung der ungarische Ministerpräsident und die halbe ungarische Regierung, die an diesem Abend in der Luther-Stube Psalmen sangen.

Und entlang dieser Verkehrsachsen seien Weimar und Franz Liszt oder Beethoven mit Bonn, Martonvásár und dem Karmeliterkloster genannt.

Mit Helmut Kohls Worten hat Ungarn damals den ersten Stein aus der Mauer geschlagen, und selbst der Boden unter dem Brandenburger Tor ist ungarisch. Ronald Reagans Aufforderung vom Juni 1987 wurde von den Ungarn in die Tat umgesetzt. Dazu brauchte es auch Michail Gorbatschow, andessen Begräbnis schließlich der ungarische Ministerpräsident als einziger westlicher hoch rangiger Politiker teilnahm. Am 11. September 2023 erwähnte das ungarisch-deutsche Nine Eleven schon niemand mehr. (Vor ein paar Jahren, zum 70. Jahrestag der Luftbrücke, bekamen auch die letzten lebenden Rosinenbomber keine Landeerlaubnis in Tempelhof). Dann begab es sich, dass ich am 28. November in Bonn an einer Europa-Konferenz teilnahm, regionalen Zeitungen und Radio stationen Interviews gab. Meine Bonner Gastgeber waren erstaunt, als ich mich zurückerinnerte, dass 1989 am selben Tag Helmut Kohl in seiner Rede vor dem Bundestag den die Weltgeschichte (um)schreibenden 10 Punkte-Plan vortrug. Dies war der Moment des „Bismarck-Mantels“, als der deutsche Kanzler, die Schritte Gottes durch die Weltgeschichte eilen hörte, ein Stück des Mantels erhaschen wollte und konnte.

Hier lohnt es nun einen Moment zu verweilen. In diesen 10 Punkten ist das Wesentliche der ungarisch-deutschen Beziehungen enthalten. Der 5. Punkt des Plans erschütterte die Welt, weil Kohl auf souveräner, selbstbestimmter Weise die Herstellung konföderativer Strukturen vorschlug, zum Zwecke der Herstellung der Föderation. Die Empörung war groß. Die Nachbarn, Moskau, die Westmächte und fast alle damaligen Bundestagsfraktionen waren empört. Fast alle – Ungarn nicht. Denn wir hatten keine Angst vor einem vereinigten Deutschland (weder damals noch heute). Hatten doch die 10 Punkte das Ziel deutlich gemacht, nämlich die deutsche und europäische Einheit im Zeichen der Freiheit. Jedoch gab es ohne einheitliches und freies Deutschland keine Chance zur Wiedererlangung ungarischer Souveränität. Obendrein blieb Kanzler Kohl für das Ausschlagen des ersten Steins aus der Mauer den Ungarn stets dankbar. Wir bleiben wiederum ihm dankbar, war doch für ihn die deutsche Vereinigung nie das endgültige Ziel, sondern der erste Schritt im Interesse der Wiedervereinigung Europas. Das war der 7. Punkt des 10 Punkte-Plans.

Nun also von der Gegenwart. Da ist diese Anekdote, wo der in die Ferne verschlagene Sohn nach langer Abwesenheit seine alternden Eltern besucht. „Wie geht es Ihnen, Vater?“ „Gut, mein Sohn“ „Und etwas ausführlicher, Vater?“ „Nicht gut, mein Sohn“. Ich glaube, wir sind irgendwo dazwischen. Die Euphorie ist vorbei. Die Debatten politischer und ideologischer Natur haben hauptsächlich in der Periode der Corona-bedingten Isolation auch im zwischenmenschlichen Bereich eine Ent- fremdungsspirale in Bewegung gebracht.

Vielleicht begann es mit der Pressefreiheit. An mindestens 350 Tagen des Jahres beiße ich mich
zwischen fünf und neun durch die recht breite deutsche und ungarische Pressepalette. Glauben Sie mir, es gibt keinen Grund, dass sich deshalb das ungarisch-deutsche Verhältnis verschlechtert. Und es verschlechtert sich doch. Weil zum Beispiel an dem Tag, an dem die israelische National- mannschaft ein „Heimspiel“ in Ungarn, dem sichersten Land für die jüdische Gemeinschaft, be-streitet, der israelische Botschafter in Budapest und der ungarische Ministerpräsident Seite an Seite auf der Tribüne stehen, wird wieder der Vorwurf des Antisemitismus erhoben. Und dann geht die Demokratiedebatte los. In der Zwischenzeit hat sich herausgestellt, dass die ungarische Demokratie mehr Leben hat als eine Katze, denn sie wurde in den letzten Jahren mehr als neun Mal beerdigt. Dann kam die Debatte über Themen und Begriffe, deren genaue Definition nicht einmal bekannt ist (liberal – illiberal, Populismus, Rechtsstaatlichkeit), die aber zur Marginalisierung der Debatte, zur Stigmatisierung von „gut gegen böse“ verwendet werden können.

Da gibt es „rechts“ – vielerorts ein Schimpfwort. Weder eine Schwalbe, noch ein Flugzeug können ohne rechten Flügel fliegen. Dann kam 2015, die Migrationskrise. Acht Jahre später, als die Wahrheit von Niger zur finnisch-russischen Grenze, von der Sonnenallee bis nach Crépol, immer mehr jenseits der Leitha sich offenbart, immer noch verlaufen die schärfsten politischen Trennlinien zwischen uns.

Mit Corona schlug es dann richtig ein. Der Tourismus hörte auf. Freunde, Partnerschulen und -städte konnten sich nicht treffen. Statt zwischenmenschlicher Kontakte beherrschten uns mediale Foren. Der Mangel wahrer Information führte zu einem Mangel an Interesse an Fakten. Man muss mit uns nicht einverstanden sein. Aber einige haben nicht mal mehr Mark Twains Worte beachtet: „Bevor man die Tatsachen verdreht, muss man sie kennen“.

Betreten wir in Dortmund das Deutsche Fußballmuseum, sehen wir als erstes Ausstellungspanel das
WM-Finale von 1954. Für die Deutschen das Wunder von Bern. Für die Ungarn eine nationale Tragödie. Trotzdem haben später, wenn die ungarische Mannschaft selbst nicht spielte, hundert- tausende von Ungarn für die deutsche Nationalelf gefiebert. Auch ich, schon seit 1974 und noch ganz genau bis zum 23. Juni 2021. Aber als der LGBT-Aktivist Luca während der ungarischen Nationahymne mit einer Regenbogenfahne in der Hand im Kreis durch die Allianz-Arena rannte, hat auch das sich geändert. Früher sagte man bei uns oft, im Gegensatz zu anderswo in Europa, wir achteten die Deutschen nicht nur, wir mochten sie auch. Heutzutage verringert sich die Zahl derjenigen, die sich gegenseitig „Liken“, wie die neueste Umfrageergebnisse des Nézőpont-Instituts und der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigen. Denen, die die Tiefe dieses eigentümlichen Verhältnisses verstehen wollen, empfehle ich Viktor Orbáns am 26. März 2022 in Zalaegerszeg gehaltene Rede, eine Woche vor den Wahlen, aus Anlass der Einweihung des Rheinmetall-Werkes.

Was folgert daraus? Schmieden wir eine gedankliche Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft! Ja, wir sind vom Zustand „gut“ unterwegs zum Zustand „nicht gut“. Aber wir sind erst auf halbem Weg. Was können wir tun, um den Rückweg antreten zu können? Schließlich ist das unser gemeinsames Interesse, gar eine Notwendigkeit.

Zunächst mal reden wir miteinander. Der Dialog ist sehr geschrumpft. wer ihn jedoch wagt, fürchtet, dafür angegriffen zu werden. Nun gibt es aber ohne Treffen, ohne Gespräch kein Verständnis. Ein führender Außenpolitiker sagte am Ende unserer Diskussion, wir wären auf verschiedenen Planeten. Auch intergalaktischer Dialog hat Gepflogenheiten. Eine ehrenwerte Persönlichkeit schrieb mir dieser Tage: „Ich stehe fest an der Seite Ungarns, auch wenn ich nicht alles richtig finde“. Auch unsere Freunde beklagen sich über zu viele schwer verständliche Konflikte, die sich an häufen. Wir müssen miteinander sprechen. Und das ständig. Ágoston Mráz sprach neulich in Bezug auf unsere Redensarten und Ausdrucksweisen davon, dass „was im Ungarischen normal ist, übersetzt abschreckend“ wirkt. Der Schwierigkeitsgrad der ungarischen Sprache und ihre Stolperfallen können aber kein Hindernis bedeuten. Es öffnet sich ein riesiger Raum für die Diskussion von Fakten- und Argumenten, für eine fruchtbare Konfrontation.

Toleranz und Dialog können zur Behandlung der großen Herausforderungen führen. Neulich cancelte eine deutsche Regierungspartei Adenauers Zitat aus ihrem Programm zur Europäischen Parlamentswahl, wonach die Einheit Europas „ein Traum von wenigen war. Sie wurde eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.Wer, wenn nicht Ungarn und Deutsche sind berufen, auch inmitten größter Meinungsverschiedenheiten sich auf das gemeinsame Ziel zu konzentrieren: die Ideale der Gründungsväter, Wohlstand, Sicherheit und Aufrechterhaltung des Friedens. Ich habe keine Illusionen, das ist keine sofortige Option. Wir stehen vor Wahlen in das Europäische Parlament, in wichtigen Fragen gibt es Meinungsverschiedenheiten, währenddessen die Zahl deutscher Politiker beträchtlich ist, die von der Intensivierung ihrer Kritik an Ungarn Einlass ins Paradies, wenigstens aber ins nächste Europaparlament erhoffen.

Im Vorwort der 2001 herausgegebenen „Chronik des Wiederholten Neubeginns“ wird formuliert
„…in der heute vorteilhaften Atmosphäre…“. Jetzt ist das ein wenig anders. Aber ich will nicht klagen, denn:

  • Zu hunderttausenden sind unter uns einander kennende und sich schätzende Bürger.
  • Zu tausenden wirken hier deutsche Unternehmen. In diesem Jahr wird der Umsatz über 70 Mrd. € betragen. 300.000 Ungarn produzieren und entwickeln gemeinsam mit ihren deutschen Kollegen, und von vielen höre ich, dass sie sich wie eine Familie fühlen.
  • Zu hunderten finden wir lebendige städtepartnerschaftliche Beziehungen und Schulpartnerschaften
  • Es gibt ein sich entwickelndes, sich hoffentlich erweiterndes Jugendwerk
  • Langsam finden wir bei uns die größten deutschsprachigen medizinischen Universitäten.
  • Bei uns ist die einzige deutschsprachige Universität außerhalb des deutschen Sprachraumes, hier kann man von der Kita bis zum PhD auf Deutsch lernen.
  • Der Präsident des Bundes der Vertriebenen äußerte sich dieser Tage dahingehend, Ungarn umarme seine deutsche Minderheit.
  • 1989 war Ungarn der größte deutsch-deutsche Treffpunkt. Heute ist Ungarn der Ort, wo die großen deutschen Autohersteller und die asiatische Akkumulatorenindustrie einander Rendezvous geben.
  • Heute stellen wir modernste Verteidigungstechnik gemeinsam her und entwickeln gemeinsam neue.
  • Wir haben von der schwäbischen Hausfrau gelernt, dass wir erst erwirtschaften müssen, was wir dann verteilen. (Uns ist es Aufgefallen, dass das Wort „Schuld“ im Deutschen sowohl Schuld (debt) als auch Schuld (guilt) bedeutet.) Von Gerhard Schröder, dass man Wohlstand auf Arbeit begründen kann und muss. Von Egon Bahr wiederum, dass es in internationaler Politik nicht um Demokratie oder Menschenrechte, sondern um staatliche Interessen geht.

Während der ersten ungarischen EU-Ratspräsidentschaft 2011 stand auf unserem Logo „Strong
Europe“
. Weil Europa da noch reich, aber schwach war. Was sehen wir heute? Europa ist schon nicht mehr so reich, aber schwächer. Inzwischen fast schon Vegetarier unter den Fleischfressern.

Im Herbst 2015 war der ungarisch-deutsche Gegensatz stark personifiziert Thema von Titelseiten.
Dann verkündeten 2018 im Rahmen eines damaligen Neuanfangs Angela Merkel und Viktor Orbán
eine „positive Agenda“.
Wir haben Europa gestärkt. Obendrein setzte sich bei sehr spaltenden Themen das Prinzip der Toleranz durch. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz – noch auffindbar – benutzte Kanzlerin Merkel den Ausdruck „Sichtweise“, während Viktor Orbán den Ausdruck „Blickwinkel“ benutzte. Die unterscheiden sich nach wie vor erheblich, vielleicht sogar noch mehr als 2018. Zu dieser Zeit betonte ein Berliner Institutsdirektor, „Auf Deutschland wird es ankommen im Umgang mit Orbán“. Der Betreffende kennt wohl die ungarische Seele kaum. Dafür ist auch die Financial Times nicht berühmt. Und doch erschien dort eine weise Bemerkung aus der Feder von Tony Barber: „Nur Deutschland hat Kraft, strategisches Interesse und historisches Verantwortungsgefühl, um die Entfremdung zwischen Westen und Osten zu verhindern.“

Apropos Fußball: Der ungarisch-deutsche Neustart im Jahr 2024 könnte ein Zeichen dafür setzen, dass wir uns einzeln und gemeinsam für ein starkes Europa einsetzen. Machen wir uns keine Illusionen: Die EU wird kein Finalist bei der Superliga. Aber wenn wir zusammenarbeiten, wenn wir den Feind nicht innerhalb suchen, können wir in der Champions League weiterkommen.

1973 geriet Ungarn gezwungenermaßen auf die hinteren Plätze unterhalb der Länder des
Sowjetblocks, da die Normalisierung der Beziehungen zur BRD bei uns am wenigsten kompliziert war. Im Jahr 1989 waren wir die ersten, die die Berliner Mauer niederreißen mussten. 2024 kann eine Plattform und eine Gelegenheit bieten,

50 Jahre Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
Ungarn. Festrede des Botschafters von Ungarn in Berlin, Dr. Péter Györkös
Andrássy Universität, Budapest 4. Dezember 2023

Bild: für das Jubiläum angefertigte Gedenkmünze ( Edelmetall von 10 cm Durchmesser), Entwurf von Zoltán Endrődy, aufgelegt von der Ungarischen Nationalbank)

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