Vorwort zur deutschen Ausgabe des Erzählbandes „Vom Frühling bis zum Herbst“ von István Fekete

14. November 2025 von Gábor Bayor

István Fekete (1900-1970) ist einer der meistgelesenen Autoren in Ungarn. Wir hoffen, dass diese Erzählungen eine freundliche Aufnahme beim deutschen Publikum finden werden und dem Leser ein Vergnügen bereiten können.

Dieser Band beinhaltet wieder kurze, manchmal auch längere Erzählungen von István Fekete (1900 – 1970). Die Thematik bleibt – wie in den von mir bisher übersetzten Büchern: „Mitternachtsgeläut“, „Ich war zu Hause“ und „Märchen aus einer frühen Zeit“ – dieselbe, nämlich die Skizzierung des ungarischen (Land)lebens im frühen 20. Jahrhundert. Durch seine eigenen Erlebnisse in der  Kindheit und durch seinen beruflichen Werdegang waren ihm die Zustände und Verhältnisse gut bekannt.

Fekete schildert neben Autobiografischem wie zum Beispiel in den Erzählungen „Die zwei Schlitten“ oder „Meine Großmutter“, auch Geschichten, die nicht direkt mit seinem persönlichen Leben in Verbindung gebracht werden können (zum Beispiel „In einem Dorf“, „Weihnachtszeit“). Seine oft blumige Ausdrucksweise ist mit Humor gepaart, sodass man zuweilen schmunzeln muss. „Sein verzeihender Humor überstrahlt die uns bekannten menschlichen Gestalten, seine unvergesslichen Tierfiguren und sogar die leblosen, aber sich trotzdem äußernden Gegenstände.“ – schrieb der Journalist Endre Szigeti von der Zeitung „Új ember” in seinem Nekrolog kurz nach Feketes Tod.

Die Hauptintention seiner schriftstellerischen Arbeit, die Relevanz der Liebe, Verständnis und Güte zu betonen, tritt deutlich zu Tage. Fekete schrieb an einen Freund: „Ich bin kein gelernter Schriftsteller oder Literat, ich bin dazu geboren worden … Das Ziel meiner literarischen Tätigkeit ist klar. Friede und Liebe gegenüber jeder Facette des Lebens.“ Er unterstreicht damit die Grundsätze seiner christlich-humanistischen Weltanschauung. Das möchte er mit seinen Schriften in den Vordergrund rücken.

Dass Fekete mit dieser Einstellung nicht gerade das Wohl-wollen der kommunistischen Machthaber nach dem Zweiten Weltkrieg erlangen konnte, liegt auf der Hand. Er hatte auch während der stalinistischen Zeit einige Jahre  Veröffentlichungsverbot und durfte erst nach der Revolution 1956 wieder publizieren.

Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte Fekete seine beste Schaffenszeit, da er damals durch keine politischen Vorgaben eingeschränkt war. Aus dieser Zeit stammen seine schönsten Geschichten, die allerdings später, nach dem Weltkrieg, auf den Index kamen und der breiten Öffentlichkeit nicht mehr bekannt waren. In diesem Zusammenhang komme ich nicht umhin, auf die hervorragende Arbeit von József Horváth (Gyenesdiás am Plattensee) hinzuweisen, der viele der verschütteten  Erzählungen ausfindig gemacht und eine Bibliografie des Autors erstellt hatte.

Früher war Fekete in Ungarn hauptsächlich durch seine Jugendbücher und Tierromane bekannt, da er auf dem Gebiet dieses Genres für das damalige politische System am wenigsten verdächtig erscheinen konnte. Als Beispiele für Tiererzählungen wurden in diesem Buch die Geschichten „Vom Frühling bis zum Herbst“ (über Störche) und „Im Kirchturm“ (über eine Schleiereule) aufgenommen, die  kurz  nach  dem  Tod  des  Autors  eine Veröffentlichung erfuhren. In diesen Erzählungen werden die Tiere zwar personifiziert und stehen vordergründig im Mittelpunkt, die Geschichten haben aber immer einen Bezug auch zu den Menschen, verknüpfen das Leben der Tiere mit den menschlichen Schicksalen. Auf diese Weise konnte Fekete sein Weltbild, seine persönliche Einstellung, die im oben erwähnten Zitat zum Ausdruck kommt, auch im kommunistischen System am besten verdeutlichen.

Seit den 1990-er Jahren wurden dann auch viele seiner früheren Novellen neu aufgelegt, wobei der Verlag Lazi in Szeged mit Hilfe des viel zu früh verstorbenen Professors Gábor Sánta mit diesen Erzählungen eine Buchreihe herausgab. Sánta kommentierte diese Ausgaben auch aus der Sicht eines Literaturwissenschaftlers, würdigte die Arbeit Feketes und griff dabei auf die Originaltexte zurück. Die hier vorliegenden Übersetzungen wurden hauptsächlich anhand der Bände dieser Reihe erarbeitet. Einige Namen wurden jedoch wegen des besseren Verständnisses eingedeutscht.

Beim Lesen dieser Novellen muss man natürlich den zeit-geschichtlichen Hintergrund berücksichtigen. Wir sind in einer vor circa hundert Jahren erlebten Periode, als es die modernen Arbeitserleichterungen und Techniken nicht gab, als die Menschen – besonders auf dem Land, in der Landwirtschaft – viel mehr von den Naturereignissen abhängig waren. Als viele Krankheiten nicht einfach therapiert werden konnten, weil zum Beispiel Antibiotika noch gar  nicht  entdeckt  waren. Für  uns  erscheint all das vielleicht schon historisch, obwohl bei Betrachtung der allgemeinen Geschichte unsere Ära nur eine Winzigkeit von dieser Zeitspanne entfernt liegt. Dennoch ist es manchmal nicht leicht, sich in die Lage der Menschen von damals einzufühlen und ihre Schicksale zu verstehen.

Trotzdem hoffe ich, dass diese Erzählungen eine freundliche Aufnahme beim deutschen Publikum finden werden und dem Leser ein Vergnügen bereiten können, so wie die zuletzt veröffentlichten Übersetzungen der Geschichten des Autors das auch getan haben.

Dr. Gábor Bayor , Übersetzer der Erzählbänder von István Fekete

István Fekete (1900-1970) ist einer der meistgelesenen Autoren in Ungarn. Er war Mitglied im literarischen Zirkel der Kisfaludy-Gesellschaft, in dem nur die berühmtesten, zeitgenössischen Schriftsteller Ungarns Mitglied werden durften. Nach der kommunistischen Machtübernahme 1947 fiel er in Ungnade und durfte kaum etwas veröffentlichen. Erst nach der Revolution 1956 hoben die Behörden das Veröffentlichungsverbot auf. Allerdings spezialisierte sich Fekete in den ihm verbliebenen Lebensjahren hauptsächlich auf Jugend- und Tierbücher, um politisch unauffällig zu bleiben.

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