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Rumänische Welt in Ungarn 1918-1920

16. Juli 2025 Válaszonline.hu von Bálint Ablonczy

„Wir können nicht ruhen, bis das ungarische Volk wirtschaftlich und militärisch völlig vernichtet wird. Solange es einen Funken Lebenskraft in Ungarn gibt, können wir uns nicht sicher fühlen.“ (Brătianu, rumänischer Ministerpräsident, 1920)

Nachdem die ungarische Delegation am 15. Januar 1920 in Paris die Bedingungen des Friedensvertrags zur Beendigung des Ersten Weltkriegs erhalten hatte, wurden in Budapest drei Trauertage angeordnet. Obwohl schon seit länger Informationen über den Vertrag durchgesickert waren, der später im Schloss Grand Trianon in Versailles unterzeichnet wurde, erschütterte die Bekanntgabe der endgültigen Grenzen das gepeinigte Land. In der Hauptstadt blieben Theater, Kinos und Nachtclubs geschlossen, und an den Häusern wurden schwarze Fahnen aufgehängt. Überall im Land wurden Protestkundgebungen abgehalten, die aber natürlich wirkungslos blieben.

Das vom Historiker und Archivar Olivér Perczel, Mitarbeiter des Budapester Stadtarchivs und des Instituts für Gewaltforschung, veröffentlichte Buch mit dem Titel Anatomie einer Besatzung – Rumänische Welt in Ungarn 1918–1920, erschienen im Jaffa-Verlag, ist die erste umfassende Monografie über eine Periode der ungarischen Geschichte, die aus dem nationalen Gedächtnis fast verschwunden ist.

Im Spätsommer und Herbst 1919 schien sich Johann Gottfried Herders (17441803) Propheze

Mit Ausnahme von Teilen West- und Südtransdanubiens stand das gesamte Land unter ausländischer Besatzung (die im Herbst und Winter 1918 besetzten und später durch den Friedensvertrag offiziell annektierten Teile des Landes – Siebenbürgen, Nordungarn und Südungarn – nicht mitgerechnet).

In weiten Teilen Südungarns waren serbische Truppen stationiert, in Szeged hatten sich französische Truppen niedergelassen, darunter auch Kolonialtruppen, die von den Einheimischen wegen ihrer afrikanischen Mannschaften gründlich beglotzt wurden. Das Land war weitgehend von rumänischen Soldaten besetzt. Im Frühjahr 1919 besetzten sie die Transtheiß-Region, nach dem Scheitern der Offensive der Räterepublik an der Theiß und dem Sturz der Proletardiktatur Anfang August besetzten sie unter dem Motto „Ordnung und Ruhe“ nicht nur das Donau-Theiß-Gebiet, sondern auch Budapest und dann einen großen Teil Westtransdanubiens. Für eine kurze Zeit nahmen sie sogar Veszprém und Győr.

Ein vollkommenes Symbol der Demütigung ist, dass in einem der Machtzentren der noch kurz zuvor als europäische Großmacht geltenden österreichisch-ungarischen Monarchie, die rumänische Flagge auf dem Parlamentsgebäude in Budapest angebracht wurde …

Olivér Perczel hat in Jahre langer mühsamer Recherchearbeit in fast allen ungarischen und einigen rumänischen Archiven das Puzzle der vergessenen Geschichte der rumänischen Besatzung zusammengelegt. Er vergisst dabei nicht, auch die andere Seite darzustellen, denn die rumänische Geschichtsschreibung behandelt die Ereignisse traditionell als antibolschewistischen Kreuzzug. Sie verharmlost die massenhaften Raubüberfälle, Vergewaltigungen und Morde und stellt sie als unglückliche Begleiterscheinung des Krieges dar. Diese werden höchstens als Vergeltung dafür gedeutet, dass die Mittelmächte – Die österreichisch-ungarische Monarchie und Deutschland – zwischen 1916 und 1918 das jenseits der Karpaten gelegene Rumänien besetzt hatten.

Das Buch von Olivér Perczel zeigt jedoch, dass die Mittelmächte zwar tatsächlich in Rumänien rekrutiert hatten, dass aber die Organisation und das Bewusstsein für ihre Aktivitäten nicht mit denen der rumänischen Armee in Ungarn vergleichbar waren. Dies sagten nicht etwa gekränkte ungarische Nationalisten, sondern rumänische Politiker aus. So schrieb Alexandru Vaida-Voevod, der der Friedensdelegation in Paris angehörte, am 4. August 1919 an Iuliu Maniu, den ersten Mann des Regierungsrates, der für die besetzten Gebiete in Siebenbürgen und Ungarn zuständig und später dreimalig Ministerpräsident war:

„Nutzen Sie die Umstände und schicken Sie schnell alles, was Sie können, als Kriegsbeute aus Ungarn, insbesondere Lokomotiven, Waggons, Eisenbahnmaterial, usw.

Verkünden Sie, dass die gesamte Kriegsmunition der ungarischen Armee aus der Kriegsmunition der Armee von Mackensen (der die deutschen Truppen in Rumänien befehligte) stammt, dass Mackensen seinerseits Rumänien gefoltert hat und dass sie daher rechtlich und nach den Gesetzen des Krieges uns gehört.“ Und im Sommer 1920 verkündete Ministerpräsident Brătianu im Bukarester Parlament:

„Wir können nicht ruhen, bis das ungarische Volk wirtschaftlich und militärisch völlig vernichtet wird. Solange es einen Funken Lebenskraft in Ungarn gibt, können wir uns nicht sicher fühlen.“

Das Buch von Olivér Perczel beginnt mit dem rumänischen Einmarsch in Siebenbürgen im Jahr 1916 und schildert dann die schrittweise Besetzung Siebenbürgens und des Partiums zwischen Herbst 1918 und Frühjahr 1919. Auf diese Weise erfährt man gleichzeitig etwas über die Grundlagen des rumänischen politisch-militärischen Denkens und den Alltag der Besatzung mit ihren sehr ähnlichen Methoden. Der Ausgangspunkt ist einfach:

Im Friedensvertrag von Bukarest 1916 versprachen die Entente-Mächte Bukarest Siebenbürgen, das Banat und sogar ein Stück des heutigen Ungarns als Gegenleistung für den Eintritt Rumäniens in den Krieg.

Somit wäre zum Beispiel Debrecen eine Grenzstadt geworden, während Békéscsaba, Gyula, Vásárosnamény und mehrere Ortschaften in Komitat Sathmar (Szatmár/Satu Mare) an Rumänien abgetreten worden wären. Die rumänischen Ortsnamen waren bereits vorhanden. (Im März 1919 wurde in Paris schließlich beschlossen, dass diese Region nicht Teil von Großrumänien werden würde, aber eine Zeit lang vertrauten die Politiker in Bukarest auf das Glück der mit hohen Einsätzen und Gewinnen arbeitenden Roulette-Spieler: sie hofften, die Entscheidung würde nur eine vorübergehende sein und sie könnten diesen Teil von Sathmar bekommen.)

Das Gebiet, das Rumänien im Frieden von Bukarest zugesagt worden war, unterstand der Zivilverwaltung, dem bereits erwähnten Siebenbürgischen Regierungsrat mit Sitz in Nagyszeben (Hermannstadt/Sibiu), während der Rest des besetzten Gebietes dem Militär unterstellt war. Diese zwei Arten der Verwaltung führten nach den Untersuchungen von Olivér Perczel zu zwei Haltungen. Die zivile Zone sollte in Rumänien integriert werden, während die militärische Zone gründlich ausgeplündert wurde.

Eine der interessantesten Fragen des Buches, die schon für Zeitgenossen schmerzhaft war, lautet: Wie kam es, dass die einmarschierenden rumänischen Truppen in vielen Siedlungen so freundlich empfangen wurden? Olivér Perczel spricht von einer Situation, die in rumänischen Geschichtswerken immer wieder hervorgehoben wird und an die sich zum Beispiel ein Augenzeuge in Debrecen so erinnert: „Zuerst schauten die Leute wortlos zu. Plötzlich ertönt hier ein Jubelschrei, dort wird ein weißes Tuch hervorgeholt. In wenigen Minuten marschierte eine jubelnde, Tücher schwenkende und Blumen werfende Menge an den rumänischen Soldaten vorbei, die sichtlich überrascht waren.“ Die Erklärung hierfür ist die fatale Erschöpfung.

Die ungarische Gesellschaft war einfach müde von den chaotischen Folgen des vierjährigen Krieges und hatte Angst vor einer Diktatur des Proletariats; sie sah die marschierenden rumänischen Truppen als die Entente-Truppen an, die für Ordnung sorgen würden.

(Das Verhalten eines großen Teils der Bevölkerung beantwortet auch die viel diskutierte Frage, warum es keine bewaffneten Kräfte zur Verteidigung des Landes gab es gab niemanden, der es verteidigen konnte.) Insbesondere, nachdem das in Bukarest erklärte politische Ziel erreicht und das kommunistische Experiment Anfang August 1919 gescheitert war. Obwohl Clemenceau der rumänischen Regierung befohlen hatte, ihre Truppen zu stoppen, rückten die Armeen nach dem Zusammenbruch der Proletardiktatur weiter vor und besetzten Budapest und anschließend einen Großteil der Donau-Theiß-Region.

Der Überfall wurde mit nahezu wissenschaftlichen Methoden durchgeführt. In Diósgyőr wurden die örtlichen Eisenhütten, in Tokaj der Wein und in der Großen Tiefebene die landwirtschaftlichen Güter als Kriegsbeute mitgenommen. Einem Bericht des stellvertretenden Landrats des Komitats Pest zufolge waren die rumänischen Soldaten in und um Nagykőrös „über die Weinberge, die Bauernhöfe, die Gehöfte, die Weingärten hergefallen,

haben alles, was sie nicht mitnehmen konnten, buchstäblich ausgerottet und ausgeleert, haben alles zerstört. Die Bevölkerung wurde ihrer gesamten Vorräte beraubt. Passanten wurden überfallen, ihres Geldes, ihres Schmucks, ihrer Uhren beraubt. Die Bevölkerung wurde durch Bastonaden, Internierung und Deportation gezwungen, die Requisitionen zu ertragen.“

Die präparierten Tiere aus dem naturwissenschaftlichen Magazin des Gymnasiums von Cegléd wurden entwendet (ausgestopfte Affen wurden aus unerfindlichen Gründen gehäutet, wie die toten Schafe auf den Almen), in der höheren Mädchenschule in Békéscsaba die Schlüssel und Türklinken weggepackt. Fensterscheiben, Fensterbänke, elektrische Leitungen und Eisenteile von Öfen wurden ebenfalls entfernt.

In Budapest konnte der Raub des Nationalmuseums nur durch entschlossenes Eingreifen des amerikanischen Generals Bandholtz verhindert werden. Die rumänischen Soldaten argumentierten, sie hätten sie ein Recht auf die aus Siebenbürgen stammenden Kunstschätze, da der Landteil nun ihnen gehörte. Sie hätten sicherlich alles mitgenommen, was sie ohne das Verbot des amerikanischen Offiziers hätten mitnehmen können. Aus der Fabrik Weiss Manfred in Csepel, einem der damals wichtigsten Werke der Schwerindustrie in Mitteleuropa, wurden 1600(!) Waggons mit Geräten, Maschinen, Metall und Munition entwendet. Das Werk, in dem zuvor 30 000 Arbeiter beschäftigt waren, wurde so stark zerstört, dass nach der Besetzung weniger als 500 Menschen tätig waren.

In jeder Siedlung wurden die gleichen Versprechungen gemacht: Beim Einmarsch versprach der zuständige rumänische Kommandeur Ordnung und Sicherheit, und es hieß, dass niemandem außer den Kadern der Räterepublik etwas zustoßen würde. Im Gegensatz dazu begannen die Plünderungen fast sofort, und jeder war in Gefahr.

Zur Zeit der Besetzung von Budapest wurden laut Polizeiberichten mindestens 3000 Zivilisten von rumänischen Soldaten ausgeraubt. Ernesto Mombelli, Leiter der italienischen Militärkommission, fasste die Situation in seinem Bericht an Rom anschaulich zusammen: „Die Rumänen suchen Ausflüchte um zu verhindern, dass ihre Raubzüge von den Ungarn kontrolliert werden und um die Bedeutung ihrer Präsenz als humanitäre Mission zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung zu betonen. […] Die Bevölkerung wird weiterhin terrorisiert. Die rumänische Repression ist übertrieben streng.“

Diese Strenge konnte tatsächlich quantifiziert werden.

Die Besetzung von Budapest zwischen August und November 1919 verursachte einen Schaden von 2,5 Milliarden Kronen. Im Vergleich dazu betrug das durchschnittliche Wocheneinkommen zu dieser Zeit etwa 300 Kronen.

Die rumänische Welt in Ungarn hatte auch Folgen, die über den enormen materiellen Schaden hinausgingen. Prügelstrafe war an der Tagesordnung, viele Frauen wurden vergewaltigt und es gab zahlreiche Massenmorde. Nach den Recherchen von Olivér Perczel fanden die meisten Hinrichtungen während des rumänischen Vormarsches bis zur Theiß und der Offensive der Roten Armee der Räterepublik an der Theiß, sowie der rumänischen Gegenoffensive zu deren Abwehr statt. So wurden beispielsweise in der Stadt Békés im April 1919 elf Männer auf Befehl eines rumänischen Offiziers vor den Augen ihrer weinenden Angehörigen hingerichtet. In Fegyvernek wurde im Juli ein Massaker unter den Feldarbeitern veranstaltet, bei dem 39 Menschen (darunter drei kleine Mädchen) erschossen wurden, und in Hatvan wurden 47 unschuldige Zivilisten getötet. Das schlimmste Massaker fand in Hódmezővásárhely statt, wo rumänische Truppen unter Beteiligung lokaler ungarischer Kollaborateure 56 Menschen (darunter neun ehemalige Rotarmisten) gefangen nahmen und mit Maschinengewehren töteten. Die endgültige Zahl ist wahrscheinlich höher, aber aufgrund mangelnder Quellen ist dies alles, was nachgewiesen werden kann.

Olivér Perczels Buch beschreibt die Gräueltaten mit der Gründlichkeit eines Protokolls, und dem Leser wird fast schwindelig angesichts des schieren Ausmaßes an menschlichem Leid. Dennoch ist es wichtig, das im kollektiven Unbewussten verankerte Trauma zu verstehen, damit es nicht in Vergessenheit gerät: Der Abzug der rumänischen Truppen zwischen Herbst 1919 und Frühjahr 1920 hinterließ ein in jeder Hinsicht verwüstetes Land.

(Eine Rezension zum Buch „Anatomie einer Besatzung – Die rumänische Welt in Ungarn 1918–1920“ von Olivér Perczel)

MAGYARUL: https://www.valaszonline.hu/2025/01/16/magyarorszag-romania-tortenelem-elso-vilaghaboru-egy-megszallas-anatomiaja-recenzio/

Übersetzt von Dr. Irén Rab

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