Die Wiedergeburt von Budapest

24. Oktober, 2025 vonVera Lengsfeld

Die Stadt lernte ich kennen, als ich mit 15 Jahren meine erste Auslandsreise antrat. Meine Freundin Sigrid und ich hatten seit einem Jahr Brieffreundschaften gepflegt. Nun wollten wir unsere Freundinnen besuchen. Bei wem wir in der Fö Utca wohnten, habe ich vergessen, denn es war Sigrids Beziehung. Eingebrannt hat sich mir aber der Eindruck, den die Stadt auf mich machte. Während in Ostberlin die Jugendlichen, die auf der Straße oder im Park Beatles oder Rolling Stones aus ihren Kofferradios hörten, von der Volkspolizei gejagt wurden, während ich zu hause nur unter der Bettdecke mit meinem „Micky“, ein Kleinstradio , etwas dicker als ein Handy, die Schlagerparade des RIAS (Rundfunk im Amerikanischen Sektor) verfolgen konnte, war am Eingang des „Parks der Jugend“ am Gellértberg eine große Hitparade-Tafel aufgestellt. Als Stones-Käthe, so wurden im Osten die Anhängerinnen der Rolling-Stones genannt, freute ich mich besonders, dass meine Band die Beatles auf den zweiten Platz verwiesen hatten.

Gleich darauf fragte ich mich, warum in Ungarn möglich war, was in der DDR unter Strafe stand. Ich begann, mich für Ungarn zu interessieren.

Budapest sah viel weniger grau aus, als Ostberlin, obwohl ich, besonders in Pest wie zu hause am vielen Fassaden noch die Spuren des Zweiten Weltkriegs sah. In der Markthalle waren die Obst-und Gemüsestände schon damals aus, wie heute, einfach unfassbar für uns, die wir vor Kurzem noch von den Eltern losgeschickt wurden, wenn das Gerücht aufkam, dass es in der HO (Handelsorganisation) Zwiebeln gab. Knoblauch kannte ich noch nicht, als ich meinen ersten Lángos aß.

Natürlich waren wir auf der Fischerbastei und allen anderen Sehenswürdigkeiten, aber die Leerstellen, die der Krieg hinterlassen hatte, fielen mir nicht auf.

Die Schlacht um Budapest war eine der blutigsten des Zweiten Weltkriegs. Sie wurde später mit der Schlacht um Stalingrad verglichen. Hitler erklärte die Stadt zur Festung, Pest, das nach Meinung seiner Generäle nicht mehr zu verteidigen war, musste gehalten werden.

Als das nicht mehr möglich war und sich der Rest der Truppe nach Buda zurückzog und dort von der Roten Armee eingekesselt wurde, verbot der Gröfaz den Ausbruch. In Buda saß größtenteils die Waffen-SS, die wußte, dass sie wegen ihrer Verbrechen kaum auf Gnade hoffen konnte und kämpfte bis zur buchstäblich letzten Patrone. Die Opferzahlen waren bei den sowjetischen Soldaten noch höher, weil sie von oben wie Zielscheiben gut sichtbar waren, Ein erheblicher Teil der Prachtbauten von Buda ging damals im Feuerhagel unter.

In den folgenden Jahrzehnten war ich immer wieder in der Stadt, in den 80ern, um mich mit der ungarischen Opposition zu treffen. Als Politikerin 2002 bei der Eröffnung des Hauses des Terrors“, gegen das es in Deutschland viele Einwände gab, weil darin zu harte Kommunismus-Kritik geübt wurde. Wie sehr das Projekt von den Bürgern unterstützt wurde, sah man an den vielen Menschen, die bei der Eröffnung gekleidet, wie in den vierziger und fünfziger Jahren als in den Haus erst ein Foltergefängnis der Pfeilkreuzler, dann der kommunistischen Staatssicherheit war, zu Fuß, mit Fahrrädern oder im Auto um das Haus herum standen.

Zuletzt 2006 bei der Einweihung der Gedenkstätte Gloria Victis anlässlich des 50. Jahrestages des ungarischen Volksaufstands und zu Ehren der 100 Millionen Opfer des Weltkommunismus. Da war ich auch noch einmal in Buda, das noch ganz anders aussah, als heute.

Knapp zwanzig Jahre danach ersteht Buda in alter Pracht wieder: Dass Schloss, das Verteidigungsministerium, der Marstall und andere Paläste sind schon fertig oder werden rekonstruiert. Die Hanggärten kehren zurück, die zahllosen denkmalsgeschützten Wohn-und Geschäftshäuser sind fast vollständig saniert. Bald werden die Spuren der Zerstörung, bis auf die Grundrisse einer Kirche, von der nur der Turm stehen blieb, getilgt sein. Auch in Pest sind die meisten Gründerzeit-Bauten restauriert oder rekonstruiert.

In weniger als zehn Jahren wird Budapest seine legendäre Vorkriegsschönheit zurückerhalten haben.Das ist den Regierungen Orbán zu verdanken, die sich diese Projekt zu eigen gemacht haben.

Als ich vor den noch nicht fertiggestellten Schlossteilen stand und auf die große Fotowand, mit Abbildungen der Trümmer, die zum neuen Leben erweckt werden, spürte ich so etwas wie Neid. Ich gehöre zu den frühen Unterstützern des Wiederaufbaus des Berliner Schlosses und dachte, welche Widerstände wir überwinden mussten, bevor diese eine Rekonstruktion gelang. Die neu erstandene Fassade wurde fast vollständig von Bürgern finanziert. Trotzdem geben die Schlossgegner nicht auf und fordern sogar den Wiederabriss. Die Schinkelsche Bauakademie , die ein Bindeglied zur Prachtstraße unter den Linden bilden würde, die zum Glück schon zu DDR-Zeiten wiedererstand, wird wohl ewig ein Traum bleiben,

weil wir leider keinen deutschen Orbán haben, der weiß, worauf es ankommt.

Viktor Orbán ist nicht nur in dieser Hinsicht anders, als die meisten Politiker, er ist auch weitsichtiger. Als ich vor seinem Regierungssitz stand, begannen sichtbare Vorbereitungen für einen Staatsbesuch. Die Europafahne wurde eingerollt und durch die Flagge der Elfenbeinküste ersetzt. Während Deutschland auch unter der Regierung Merz daran festhalten will „Entwicklungshilfe“, die sich als Haupthemmschuh für Afrika erwiesen hat, unkontrolliert zu verteilen, hat Orbán längst begriffen, dass Afrika, rohstoffreich, jung und voller Chancen, eine Partnerschaft auf Augenhöhe, statt „Hilfe“ braucht. Während Europa in dieser Beziehung abgehängt zu werden droht, wird Ungarn reüssieren.

Autorin, Vera Lengsfeld ist Politikerin und freischaffende Publizistin, sie war von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages 

Quelle: https://vera-lengsfeld.de/2025/10/13/die-wiedergeburt-von-budapest/

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