21. Dezember 2025 von Irén Rab
In Göttingen, in der Unteren Karspülen, befindet sich die erste und bis heute einzige reformierte Kirche der Stadt.
Göttingen war seit Beginn der Reformation eine überwiegend evangelische Stadt. Die im Mittelalter im gotischen Stil erbauten und erweiterten dreischiffigen
Hallenkirchen wurden mit der Ausbreitung der Reformation 1529 von den Protestanten in Besitz genommen, die gleichzeitig die Ausübung der katholischen Religion verboten.
So wurden und blieben die zweitürmige Johannis-Kirche, die ehemalige Wallfahrtskirche St. Jakob, die Jacobi-Kirche und die am östlichen Stadttor erbaute Albanikirche, die die Lehren Luthers verkündeten, evangelische Kirchen. Die Übernahme der Kirchen der Stadt kann man am südlichen Tor der Jacobi-Kirche, dem sogenannten „Reformationsfenster”, betrachten. Das bunte Glasfenster stellt das Ereignis vom Palmsonntag 1530 dar, als den Gläubigen die neue evangelische Kirchenordnung vorgelesen wurde. Auf dem Bild liest Luther selbst von der Kanzel, obwohl wir wissen, dass er nie in Göttingen war.
In diese intolerante religiöse Welt brachte die Gründung der Universität Göttingen Veränderung. Der aufgeklärte Geist der 1734 gegründeten Universität zog nicht nur Evangelische an, sondern auch Katholiken, Calvinisten und sogar Juden kamen hierher, um zu studieren.
Im Interesse der Universität lockerten die weltlichen und kirchlichen Oberhäupter das Verbot und erlaubten auch Andersgläubigen die Ausübung ihrer Religion.
Zunächst konnten sie Gottesdienste und Messen in Privathäusern abhalten, dann wurden am Rande der Stadt auch ihre Kirchen gebaut: zuerst 1753 für die reformierten Christen in der Nähe des nördlichen Stadttors, dem Weender-Tor, in der Unteren Karspüle, dann 1789 für die Katholiken in der Kurzstraße neben dem südlichen Stadttor in Richtung Geismar, die St.-Michael-Kirche.
Die reformierten Christen waren im Vorteil, da der damals berühmteste Professor der Universität, der aus der Schweiz stammende Albrecht von Haller (1708-1777), Calvinist war. Haller spielte eine wichtige Rolle beim Aufbau der Universität, er gründete das anatomische Theater, den botanischen Garten, die anatomische und naturwissenschaftliche Sammlung, die Geburtsklinik und die wissenschaftliche Akademie, er gründete und redigierte die bis heute erscheinende Universitätszeitschrift Göttingische Gelehrte Anzeige (GGA). Ihm ist es zu verdanken, dass die Universität europaweit bekannt und anerkannt wurde, und so ist es kein Wunder, dass der englische König, der die Universität unterhielt, auch seinen Wunsch nach einem Kirchenbau erfüllte.
1752-53 wurde die reformierte Kirche in Göttingen erbaut, die bis heute von der deutschen und ungarischen evangelisch-reformierten Gemeinden in Göttingen genutzt wird.
Haller verdankt seine organisatorische Tätigkeit der Tatsache, dass er die lokalen Reformierten, deren Zahl 1751 noch bei nur 40 Personen lag, zusammenbrachte. Unter ihnen befanden sich aus Frankreich geflohene und in Göttingen Zuflucht findende hugenottische Familien, Studenten der Universität und Professoren. Neben Haller schloss sich beispielsweise auch der Professor für Französisch, Isaak de Colom du Clos (1708-1795), den Gründern an und wurde auf Hallers Bitte hin noch vor Beginn des Kirchenbaus zum Vorsteher der Kirchengemeinde ernannt. Der zukünftige Pfarrer der Kirche erhielt auf Hallers Vermittlung hin eine Stelle an der philosophischen Fakultät.
Die Pläne für die Kirche wurden von Johann Michael Müller (1723–1777) entworfen, der zu dieser Zeit an der Universität Zivil- und Militärarchitektur, Vermessungswesen und angewandte Mathematik lehrte.
Müller entwarf ein spätbarockes Gebäude nach dem Vorbild der französischen Hugenottenkirchen, der „Temple”. Die Fassade der weitgehend kubischen Kirche wird lediglich durch den von Säulen eingerahmten Haupteingang, die dazu führende Treppe und ein verziertes Dachfenster geschmückt. Auf dem Satteldach erhebt sich ein kleiner Glockenturm mit italienischer Kuppel, dessen Glocke jedoch erst viel später, ab 1808, läuten konnte. Das Puritane der Reformierten ist in der überwiegend weißen Innenausstattung deutlich zu spüren. Für sie war die Kirche kein heiliger Ort, sondern lediglich ein Ort der Predigt und Versammlung. Der Raum wurde ohne dekorative Bilder gestaltet; in der Kirche gibt es weder Kreuze noch Bilder von Heiligen. Der Versammlungsraum ist in der Mitte achteckig, die umlaufenden Sitzreihen sind so hoch, dass sich die Gemeindemitglieder von allen Seiten sehen können. Über dem Haupteingang ist eine lateinische Inschrift zu lesen, die auf die Fertigstellung des Gebäudes hinweist: „Deo Salvatori et Religionib. Reformator. S. MDCCLIII” (Gott, dem Erlöser und der Religion der Reformatoren gewidmet, 1753).
Haller überzeugte die Verantwortlichen von der Notwendigkeit des Kirchenbaus mit dem Argument, dass die ansonsten evangelische, aber aufgeschlossene Universität auch Studenten reformierten Glaubens anziehen würde. Dies traf auch zu:
Im 18. Jahrhundert immatrikulierten sich beispielsweise insgesamt 250 reformierte ungarische Studenten an der Universität, von denen etwa zwei Drittel, vor allem Calvinisten aus Siebenbürgen.
An der Grundsteinlegung der Kirche am 10. Mai 1752 und an der Richtfestfeier am 2. November desselben Jahres nahmen auch die gerade in Göttingen studierenden Ungarn teil.
Die Richtfestfeier wurde von dem dort studierenden István Halmágyi (1719-1785) in seinem Tagebuch* festgehalten:
„2. November 1752. Die Krone der Kirche
Es ist in ganz Deutschland Brauch, dass beim Bau eines neuen Hauses, erst recht beim Bau einer neuen Kirche, die Dachsparren aufgestellt und ebenso oft eine Krone auf das Dach gesetzt wird. So wurden auch bei der hier erbauten reformierten Kirche die Dachsparren aufgestellt und eine Krone auf das Dach gesetzt. Auch wir wurden zu diesem Brauch zu Herrn Konsiliarius Haller eingeladen, neben dessen Unterkunft die Kirche gebaut wurde. Die Krone war bereits fertig, aus grünem Gras, Blumen und vergoldeten Rosmarinzweigen, verziert mit Seide und anderen herabhängenden Tüchern, bunten Bändern, die von den Frauen und Mädchen daraufgelegt wurden. Ein Mädchen nahm diese Krone in die Hand, vor ihnen ging Herr Professor Colom, ein Presbyter, gefolgt von den Zimmerleuten, und sie trugen sie zur Schnecke. Dort wurde sie auf das Dach des Gebäudes gehoben und nachdem sie dort befestigt worden war, trank der Baumeister zwei Gläser Wein, eines für die Kirche oder die Ecclesia, das andere für das Mädchen, das die Krone trug. Sehr viele Menschen versammelten sich zu diesem Anlass, und nachdem alles vollbracht war, gingen alle nach Hause.„
Der spätere Oberrichter und Hauptmann des Komitats Háromszék von Siebenbürgen, István Halmágyi, kam aus Kolozsvár als Begleiter des Grafen Pál Teleki (1733-1755). Es ist schwer vorstellbar, dass
der Spross einer für ihre Spendenbereitschaft bekannten siebenbürgischen Aristokratenfamilie und sein ebenfalls wohlhabender Reisebegleiter nicht ein wenig Gold für den Bau einer Kirche gespendet hätten, die ihren Glauben stärkt.
Von der Liste der Mäzene fehlt jede Spur. Dennoch darf die heutige ungarische Gemeinde mit berechtigtem Stolz – den ungarischen Mäzenen gedenkend – den Gottesdienst in dieser erhabenen Kirche feiern.
- Halmágyi István naplói 1752-53, 1762-69 és iratai 1669-1785 (Magyar Történelmi Emlékek – Második osztály: Írók – 38. kötet)
Autorin, Dr. Irén Rab ist Kulturhistorikerin
Bildquelle: Ansicht von Nordwesten, ein Kupferstich aus der Zeit kurz nach der Fertigstellung der Kirche von 1753