Zengővárkony, Dorffest (Foto: Pecsma.hu)
19. Oktober Budapester Zeitung von JAN MAINKA
Immer mehr Deutsche wandern nach Ungarn aus, fast alle sind bereits Rentner. Berufstätige, zumal mit Kindern im schulpflichtigen Alter, sind bisher eher die Ausnahme. Christiane Wichmann ist mit ihrer Familie eine von ihnen.
- Was hat Sie bewogen, Deutschland zu verlassen?
Mein Mann und ich haben in Deutschland ein normales Leben geführt, hatten ein Haus und Arbeit. Wir waren beide in guten Berufen, hatten zwei Kinder und uns auch ehrenamtlich engagiert. 2010 wurde unser drittes Kind geboren. Mit der Geburt unserer Tochter erlebten wir als Eltern bereits deutliche Unterschiede im Vergleich zu unseren ersten Kindern, die 1997 und 1998 geboren waren. Die Atmosphäre in Schulen und Kindergärten hatte sich deutlich verändert. Die Bevormundung war deutlich gewachsen.
Mit der Flüchtlingskrise von 2015 wurde es jedoch ernsthaft kritisch. Überall wurden einem moralisierend neue Regeln aufgenötigt. So durfte sich meine Tochter im Kindergarten nicht mehr so verkleiden, wie sie wollte. Cowboy, Indianer, Pippi Langstrumpf, alles war plötzlich nicht mehr erwünscht. Aber auch Salamibrote und Spaghetti Bolognese wurden einfach gestrichen.
Das alles motivierte mich dazu, mich zu wehren. Mein Mann bestärkte mich darin. So trat ich 2016 bei den Wahlen in Niedersachsen für die AfD an und kam in die Kommunalpolitik. Als völliger Neuling, denn vorher war ich politisch noch nie aktiv gewesen. Ich wurde Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, sowie Abgeordnete der Regionsfraktion Hannover und später dort auch Fraktionsvorsitzende. Als einzige Frau, der Rest der Fraktionskollegen waren Männer. Es war eine tolle Mannschaft und tolle Männer und Frauen, die antraten.
Meine Devise war: man sollte nicht nur meckern, sondern auch selbst anpacken und sich bemühen. Das tat ich.
- Trotzdem sind Sie heute hier. Warum?
Ich habe erstmal die kommunalpolitische Arbeit kennenlernen müssen und dabei viel Nützliches gelernt. Es gab auch Kontakt zu Fraktionen der anderen Parteien. Sie glauben gar nicht, was einem da teilweise an Hass entgegenschlug. Von Menschen, die sich angeblich um das Wohl des Landes kümmern. Genau diese Leute haben sich nicht im Griff, beherrschen nicht mal die Grundprinzipien des demokratischen Miteinanders. Ich war ziemlich schockiert, dass ich künftig einen Großteil meiner Zeit in so einer bedrückenden Atmosphäre verbringen sollte. Vereinzelt traf ich aber auch auf positive Menschen.
Mit den Jahren erkannte ich, dass die deutsche Politik zutiefst verrottet ist. Mit Filz durchsetzt, korrupt und total verlogen. Ich erkannte, dass, wenn man ein Teil von ihr wird, man unweigerlich entweder selber so wird, oder krank wird.
Dieser harten Erfahrung verdanke ich, dass ich heute hier in Ungarn bin. Ich nehme an, ohne diese Erfahrung wäre der Groschen bei mir nicht oder deutlich später gefallen. 2018 machten wir dann Urlaub in Ungarn…
- Wieso ausgerechnet in Ungarn?
Als kleines (westdeutsches) Mädchen war ich Anfang der 80er Jahre, also noch zu Ostblockzeiten einmal nach Ungarn gereist. Mit meiner Familie machten wir Urlaub in Balatonfüred. Ich erinnere mich noch gut daran, dass es für mich einer der schönsten Urlaube meines Lebens war. Die Sonnenblumenfelder, die herrlichen Pfirsiche, die Musik und diese freundlichen Menschen, die sogar meine Sprache sprachen, haben mich als kleines Kind wirklich staunen lassen. Vielleicht hat Ungarn mir damals schon etwas mitgegeben, was ich niemals mehr vergessen habe.
- Wie war Ihr neuerlicher Urlaub in Ungarn?
Wir kamen in Budapest an und wurden von einem ungarndeutschen Familienvater aus Bóly abgeholt. So fing unsere gemeinsame Geschichte an…
Es war ein Urlaub und eigentlich auch nicht, denn wir wollten uns schon hier und da ein Haus ansehen. Wir hatten zu diesem Zweck auch schon entsprechende Kontakte geknüpft. Ich wusste in etwa, wie Ungarn ist, und war gespannt darauf, wie meine Familie ein Land findet, das nicht ansatzweise Ähnlichkeiten mit Urlaubsländern wie Spanien, Italien oder Griechenland hat.
Gemeinsam machten wir erstaunliche Erfahrungen. Ungarn war so wunderschön sauber, keine dreckigen, vollgeschmierten Busse, Bänke, Parks und Gebäude. Stattdessen sahen wir Blumen, gepflegte Straßen und Dörfer. Natürlich sahen wir auch immer mal wieder instandsetzungsbedürftige Immobilien. Aber wenn man aus verkommenen, verwahrlosten und dreckigen deutschen Großstädten kommt, dann kommt einem Ungarn ingesamt sehr gepflegt und sauber vor.
Dazu kam, dass sich meine Tochter und ich endlich mal wieder frei und unbeschwert bewegen konnten. Was man in Deutschland definitiv nicht mehr kann. Trägt man dort als Frau luftige Sommerkleidung, Trägerhemdchen oder einen kürzeren Rock, kann man sich sicher sein, dass man sehr wahrscheinlich unangenehme Erlebnisse haben wird. Vor allem abends, allein in öffentlichen Verkehrsmitteln. Ebenso in Schwimmbädern oder bei Veranstaltungen. Als Frau, egal welchen Alters, ist man in Deutschland nicht mehr sicher.
Wir waren damals mit unserer kleinen Tochter in Siklós. Dort besuchten wir das Thermalbad. Das kleine Mädchen rannte in diesem riesigen Schwimmbad nach kurzer Zeit sorglos durch die Anlage. Ohne ihre Eltern, obwohl es ein fremdes Land für sie war und sie die Sprache nicht konnte.
Als die eine Woche vorüber war, hatten wir ein Haus gefunden und uns entschlossen, es zu kaufen. In gespannter Erwartung flogen wir zurück nach Deutschland. Das war im August 2018. Im November kehrten wir für die schriftlichen Angelegenheiten zurück. Ein kurzes Wochenende lang und wohnten in einem Hotel. Wir beschlossen dann spontan, Weihnachten in unserem neuen Haus zu verbringen.
- Wie war Ihr erstes Weihnachtsfest in Ungarn?
Natürlich hatte es sich im Dorf bereits herumgesprochen, dass da eine neue, deutsche Familie etwas gekauft hatte. Wir nahmen am Gottesdienst teil, stellten uns unseren Nachbarn vor, nahmen Kontakt auf. Mein Mann wurde sofort zum Fußballspielen eingeladen. Man organisierte sogar Turnschuhe für ihn, denn so etwas hatten wir nicht dabei. Wir blieben nur eine Woche, mit fast nichts im Haus. Wir bereiteten die nächsten, wichtigen Schritte vor und genossen die unglaubliche Ruhe. Und die Dunkelheit. Ungarn ist wunderbar dunkel und man kann den Sternenhimmel sehen. Die Kamine brannten. Es war ein wunderschönes Weihnachten!
- Wie ging es weiter?
Eine Auswanderung ist kein romantisches Abenteuer. Sie ist mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Wer sich dazu entscheidet, wird um konsequentes Planen, straffe Zeitpläne und viel Arbeit nicht herumkommen. Die Bereitschaft Loszulassen wird auf eine harte Probe gestellt. Die Verantwortung für sich und natürlich für alle Beteiligten steht plötzlich auf einer ganz neuen Stufe.
Bis zum Sommer 2019 mussten viele Dinge erledigt, Ehrenämter beendet, Jobs gekündigt werden, Haushalt auflösen, Umzug planen. Langeweile kommt da nicht auf. Wir haben uns nicht ablenken lassen, und die anfangs konzentrierte Anspannung ging immer mehr in Vorfreude über.
- Wie war es um Ihre Sprachkenntnisse bestellt?
Ich erinnere mich gut, wie wir an Autobahnschildern langsam vorbeifuhren und trotzdem die Ortsnamen einfach nicht aussprechen konnten. Die ungarische Sprache klingt zu Beginn so seltsam im Ohr, aber sie hat einen schönen Klang. Aber natürlich, niemand von uns konnte Ungarisch.
Noch in Deutschland hatten wir Privatunterricht bei einer ungarischen Musikerin aus Debrecen, die in unserer Stadt als Musikerin arbeitete. Die junge Frau war bereit, uns für ein halbes Jahr zu unterrichten. Jede Woche gingen wir als Familie zu ihr und lernten Zahlen, Farben und ein paar Sätze für den Anfang – sogar ein Kinderlied. Damit konnten wir zumindest ein bisschen mehr als ein Tourist, aber die Grammatik war uns noch fremd.
Nach unserer Ankunft war uns klar, dass wir eine Möglichkeit finden müssen, die Sprache zu lernen. Bücher allein werden einem nicht helfen. Aber wenn man den Aufbau der Sprache verstanden hat, dann ist sie sehr logisch.Ich muss jedoch eingestehen, dass unsere selbstgesteckten Ziele zu optimistisch gewesen sind. Man ist eben kein Austauschschüler oder Sprachstudent, der den ganzen Tag lernen kann. Man hat unzählige Aufgaben zu bewältigen, als Eltern, als Auswanderer, da stellt man schnell fest, dass man alles gleichzeitig eben nicht schafft.
- Wie war die Auswanderung für Ihre Tochter?
Nun, wir hatten mit unserem Haus Glück, denn die Grundschule grenzt direkt an unseren Garten. Die kleine Dorfgrundschule hat drei wunderbare Lehrerinnen und ungefähr 20 Kinder verteilt auf die Klassen 1 bis 4. Im Vorfeld hatten wir schon Kontakt aufgenommen und Schnuppertage mitgemacht. 2018 waren wir noch eine Rarität. Heute hat sich dies geändert. Inzwischen kennen wir einige weitere Familien, die mit ihren Kindern Deutschland verlassen haben, um in Ungarn ein neues Leben aufzubauen. Deren Kinder besuchen die verschiedenen Schulen unserer Region oder studieren bereits in Ungarn.
Es gibt deutsche Schulen in Ungarn, auch in unserer Region. Aber diese kamen für uns überhaupt nicht in Frage, denn ein Grund, Deutschland zu verlassen, war ja nicht zuletzt, dass wir mit dem Bildungssystem unseres Bundeslandes nicht mehr einverstanden waren. Von der Bildungsmisere der letzten 15 Jahre hatten wir genug. Wir wollten sie unserer Tochter ersparen und waren daher bereit, uns völlig auf eine ungarische Schule einzulassen.
Am 1. September begann unsere Tochter in der 2. Klasse und konnte eigentlich kaum etwas verstehen. Erstaunlich schnell kam sie aber mit der Sprache klar. Mit Beginn der 4. Klasse hat sie dann die Schule gewechselt. Mit dem Wechsel platzte auch irgendwie der Knoten und plötzlich sprach unsere Tochter nahezu fließend Ungarisch. Heute ist sie in der 5. Klasse, fährt mit dem Linienbus zur Schule und hat ungarische Freunde. Sie ist eine gute Schülerin, hat Spaß und Freude, die Schule zu besuchen.
Sie besucht zusätzlich bei uns im Dorf die Musikschule. In Ungarn hat sie das Klarinettenspiel erlernt. Heute spielt sie bereits sehr schön und musiziert zusammen mit ihrem Vater. Wir haben erlebt, wie wichtig Musik und Tanz hier sind. Musizieren verbindet. Die Musik hilft unserer Tochter sehr, neue Kontakte zu knüpfen. Unser Nachbar war ihr erster Musiklehrer, ein Ungarndeutscher und geachteter Kapellmeister aus unserem Dorf.
Um die Zukunft unserer Tochter machen wir uns keine Sorgen mehr.
- Und wie erging es Ihnen und Ihrem Mann?
Das erste Jahr haben wir genutzt, uns einzuleben, alles zu regeln, zu ordnen, das Haus und den Garten zu gestalten, neue Freundschaften zu knüpfen, Kontakte zu vertiefen und die vielen Gebräuche und Feste kennenzulernen. Wir haben alles mitgemacht und jedes Fest besucht in unserer Region. Das fiel unseren Nachbarn im Dorf auf und wir wurden immer eingeladen. Auf den Weinberg, wenn die Männer Wurst gemacht haben, zur Weinlese, zum Fußball im Dorf und zum Lada-Treffen. Wir merkten schnell, dass unsere aktive Teilnahme am hiesigen Leben Anerkennung fand. Noch wunderte man sich über die deutsche Familie, aber unsere ungarischen Nachbarn merkten schnell, dass wir es ernst meinten und echtes Interesse haben.
Mein Mann, der in Deutschland im Büro gearbeitet hatte, war so clever, noch in Deutschland einen Lkw-Führerschein zu machen. Ein Speditionskaufmann, mit Ergänzung Fahrlizenz Lkw ist nicht verkehrt. Lkw-Fahrer werden immer gebraucht, und gerade in der Branche sind natürlich alle Sprachen vertreten. So unglaublich es klingen mag, mein Mann hat von diesem Beruf schon seit seiner Kindheit geschwärmt.
Unser Regionalblättchen hat auch Stellenanzeigen. Er schrieb eine ungarische Bewerbung und erhielt eine deutsche Antwort. Man traf sich, vereinbarte einen Probetag und es ging los. Heute arbeitet er seit über einem Jahr, zwei Orte weiter bei einem mittelständischen Familienunternehmen, das landwirtschaftliche Produktion betreibt und seine eigenen Produkte herstellt, wie Milch, Joghurt, Käse und Quark. Diese Produkte liefert mein Mann heute überregional in ganz Ungarn aus. An Großküchen, Altenheime, kleine Läden, große Industriebetriebe und Bäckereien.
Wer meint, dies sei ein beruflicher Rückschritt, der irrt. In einem ungarischen Betrieb zu arbeiten und sehr nette Kollegen zu haben, ist als Ausländer ein beachtlicher Schritt. Der Beruf Lkw-Fahrer ist besonders für Auswanderer eine echte Chance, arbeiten zu können. Zudem lernt man das Land kennen, sieht viele Betriebe und Menschen. Besser können Sie sich kaum mit Ihrer neuen Umgebung vertraut machen. Die ungarische Sprache kann er täglich anwenden, üben und verbessern. Und sein Bemühen öffnet die Herzen der Ungarn.
Natürlich wurde mein Mann sehr häufig gefragt, wie es kommt, dass er als Deutscher in Ungarn arbeitet. Schließlich haben viele Ungarn, meist aus finanziellen Gründen, ihre Heimat Richtung Westen verlassen. Aber Geld ist eben nicht alles. Und der Trend der vergangenen Jahre kehrt sich bereits sichtbar um. Dass wir Deutschland aus politischen Gründen verlassen haben, konnten sich die Ungarn zu Beginn unserer Zeit kaum vorstellen. Doch inzwischen können sie uns immer besser verstehen. Schließlich bekommen sie aus unterschiedlichen Quellen mit, was in Deutschland vor sich geht …
- Und womit beschäftigen Sie sich?
Ungarn steht für echte Werte, eine gesunde, gesellschaftliche Entwicklung, Ehe und Familie. In Ungarn ist man frei und kann ungeniert sagen, dass man sehr gern Hausfrau und Mutter ist. Man wird dafür nicht verachtet. Und man kann diese Frauen nicht genug achten. Was hat uns denn diese viel gepriesene Emanzipation gebracht? Kaputte Ehen, Wartelisten bei Psychiatern, frustrierte Frauen, viele krank von immenser Belastung. Und wofür? Das der Staat Steuern kassiert, Geld für die Kinderbetreuung verlangt und einem am Ende eine mickrige Rente winkt?Ich bin im Gottvertrauen und kehre bewusst zu natürlichen Kreisläufen und Naturgesetzen zurück. Heute bin ich der Mittelpunkt der Familie. Ich backe unser Brot, verarbeite unser Gartengemüse, koche gesunde Mahlzeiten, befasse mich mit Heilpflanzen und deren Anwendung. Ich bin die Kommunikationsbasis der Familie. Ich sammle außerdem deutsche Literatur und Märchen.
- Gab es auch negative Erlebnisse?
Ein ganz klares NEIN! Lediglich mit einigen donauschwäbischen Gerichten werde ich mich wohl nie ganz anfreunden, etwa Kohl mit Puderzucker. Da haben wir alle Schwierigkeiten mit… Aber ganz im Ernst: wir können wirklich von keinerlei negativen Erfahrungen berichten. Weder im Wohnumfeld, noch in der Schule oder im Alltag. Nicht bei Ärzten oder medizinischen Behandlungen, ja selbst die ungarische Polizei ist freundlich, hilfsbereit und charmant. In Deutschland kann man sich da an ganz andere Szenen erinnern…
- Was gefällt Ihnen an Ihrer neuen Heimat besonders?
Die Landschaft! Es ist ein schönes Land. Weite Felder, sanfte Hügel, keine Windräder, freier Horizont. Sehenswürdigkeiten, tolle Museen, Musik, Kunst und Kultur haben einen hohen Stellenwert.
Die Magyaren haben ihren ganz eigenen Charme und ihre eigene Seele. Wer sich bemüht, das zu entdecken, wird sehr viel Herzenswärme, Freundlichkeit und Lebenslust finden.
Unsere wunderschöne Hauptstadt Budapest ist eine wahre Perle. Berlin, Paris und London hatten ihre Zeit. Die Zeit unserer Donaumetropole beginnt erst. Wenn Ungarn sich nicht das Zepter aus der Hand nehmen lässt und die Ungarn weiter ihren selbstbestimmten Weg gehen, dann sehe ich für unser Land eine große Zukunft.
Mir gefällt die ungarische Regierung. Ich hatte schon immer etwas übrig für Leute mit einem eigenen Kopf. Ich bin stolz auf Viktor Orbán. Er ist so mutig! So reiste er nach Moskau, um Michail Gorbatschow die letzte Ehre zu erweisen. Als einziger hochrangiger EU-Politiker. Der Westen, insbesondere Deutschland hat dem Verstorbenen viel zu verdanken. Und dann besitzt man nicht einmal den Anstand, diesem Mann die letzte Ehre zu erweisen!
Die Ungarn haben schwer unter dem Kommunismus gelitten. Die Ereignisse von 1956 erschüttern die Menschen bis heute. Und trotzdem haben sie die Größe aufgebracht, um sich von Gorbatschow zu verabschieden. Das ist staatsmännisches Verhalten! Oder unser Außenminister Szijjártó, der sich kühn mit Herrn Lawrow in New York trifft und sich permanent für den Frieden in Europa einsetzt.
- Ihr Fazit nach fast vier Jahren Ungarn?
Wir haben nicht einen Tag bereut. Ganz im Gegenteil, manchmal haben wir uns gefragt, warum wir nicht schon viel früher gegangen sind. Auswandern ist kein Wild-West Abenteuer und keine Doku-Soap. Wer erfolgreich sein möchte, muss sein Leben selbst in die Hand nehmen und sich trauen, vermeintlich sichere Häfen zu verlassen. Ungarn ist ein kleines Land mit viel Potenzial und einer starken Gesellschaft. Die Ungarn haben das Herz am richtigen Fleck. Natürlich muss man Hürden, wie zum Beispiel die Sprachbarriere überwinden. Aber was ist das schon im Vergleich zu den Problemen, die ich als Deutsche in meinem Herkunftsland hatte und noch haben würde!
- Haben Sie Anregungen und Tipps für Menschen, die darüber nachdenken, nach Ungarn zu ziehen?
Es gibt inzwischen in sozialen Netzwerken diverse Gruppen zu diesen Themen. Deutschsprachige Auswanderer in Ungarn oder Auswandern nach Ungarn sind nur ein paar Beispiele, wo man Informationen finden kann. Auch die deutschen Minderheitenvertretungen sind eine Möglichkeit. Die Selbstverwaltungen sind in vielen Gemeinden vertreten. Über die Internetseite der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen kann man erste Informationen einholen. Sie können sich bei Interesse auch gerne an die Redaktion der BZ (redaktion@bzt.hu) wenden. Anfragen werden an mich weitergeleitet.
Haben Sie den Mut, auf ungarische Nachbarn und Vereine zuzugehen. Sprechen Sie Ungarisch! Und wenn es erst einmal nur dazu reicht, auf das Gesicht Ihres ungarischen Gegenübers ein Lächeln zu zaubern.
Christiane Wichmann, 49, geboren und aufgewachsen in Hannover. Ausbildung zur Versicherungskauffrau. Beruflicher Schwerpunkt Versicherungsmathematik und Technik. Arbeit bei Aufforstungsprojekten, im Gewässerschutz und in der Lawinenabwehr. Abgeschlossene Jägerprüfung. Familiengründung und für diese auch verschiedene Minijobs durchlebt, vom Zeitungenaustragen bis zum Putzjob. Ehrenamtliche Betätigung als gerichtlich bestellte Betreuerin für überwiegend alte Pflegebedürftige. Stadträtin und Abgeordnete. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihrer Tochter im südungarischen Komitat Baranya in einem Dorf in der Nähe von Pécs/Fünfkirchen.
Originalerscheinung: https://www.budapester.hu/feuilleton-interview/auswandern-nach-ungarn-nicht-einen-tag-bereut/
2 Kommentare
Liebe Familie Wichmann, Sie machen es genau richtig. Offen, verständnisvoll, respektvoll und ehrlichen Herzens gegenüber den Ungarn zu sein. Ein bisschen Ungarisch half mir in meiner Zeit als Lehrkraft an zwei Gymnasien (2 Jahre in Budapest, 3 Jahre in Baja) auch, die Herzen meiner Ungarn zu gewinnen. Ich habe heute noch Kontakt zu vielen.
Die Stadt Pécs ist mir wohl bekannt. War schon oft dort und in der Region.
Minden jót és sok szerencsét 😉.
Sziasztok
Schneider Bernd
Es ist sehr interessant zu lesen was diese Familie erlebt hat. Meine Gedanken beschäftigten sich schon lange damit Ungarn als Wahlheimat zu erkunden. Bin schon Rentner, da sind viele Fragen die ich deswegen so habe. Werde mich weiter informieren was für Möglichkeiten diesbezüglich so gibt.
Vielen Dank! Mit freundlichen Grüßen Monika Baier