János Kóbor Gründer und Frontmann der Kult-Band Omega, starb im Alter von 78 Jahren nach kurzer Krankheit. Omega gilt als erfolgreichste Band der ungarischen Pop-Geschichte. Das 1962 gegründete Ensemble gab 17 Alben heraus, die weltweit 50 Millionen Mal verkauft wurden. Im damaligen Ostblock maß man den Rockern aus Budapest den gleichen Status zu wie den Rolling Stones. Hier wird ein Interview mit ihm vor drei Jahren über seine Band, den Eisernen Vorhang und Premier Orbán für die MDR mitgeteilt.
6. Dezember 2021, MDR von Katrin Molnár
Sie ist die „West-Band“ des Ostens: die ungarische Rock-Band Omega. In den 1970er-Jahren waren sie auf Augenhöhe mit den Rolling Stones. Ihr Erfolg im Westen war den DDR-Funktionären suspekt, die Auftritte der Band in der DDR entsprechend rar. János Kóbor, Sänger von Omega, kommt immer wieder nach Deutschland, auch weil er Bayern-München-Fan ist.
- Herr Kóbor, Sie stehen jetzt schon 56 Jahre auf der Bühne. Omega war im Kalten Krieg in Ost und West erfolgreich. Wie haben Sie das geschafft?
Ja, es ist schon interessant. Wir haben im selben Jahr mit unserer Musik angefangen wie die Rolling Stones und die Beatles. Und alle Gründungsmitglieder von Omega wurden mitten im Zweiten Weltkrieg geboren – wie auch Paul McCartney und Mick Jagger. Diese Generation hat die ersten Schritte in der Beat- und Rockmusik gemacht. Es war egal, ob im Osten oder Westen. Ich weiß nicht, warum. Aber es war diese Generation. Ich bin bis heute sehr glücklich, dass wir das damals begonnen haben. Ungarn war zwar auch nicht frei, aber von den sozialistischen Ländern war es wohl das freieste – wenn man es überhaupt so sagen kann. Zumindest war es nicht so streng wie die Tschechoslowakei oder die DDR.
- Aber die Tschechoslowakei war Omegas erster Schritt ins Ausland …
Ja, ja sofort, 1963 oder 1964, gleich ein, zwei Jahre nach unserer Gründung. Ein Typ aus der Tschechoslowakei hat uns in unserem Uni-Klub in Budapest gesehen und gedacht: Diese Musik muss ich zeigen. Damals haben wir noch sehr viele amerikanische und englische Songs kopiert. Aber wir hatten auch schon ein paar eigene. Nach 1968, nach dem Prager Frühling war es dann allerdings für Omega schon wieder vorbei mit der Tschechoslowakei.
Im Prinzip war es damals für uns sogar leichter, im Westen auf Konzerttour zu gehen als im Osten. Nicht unbedingt wegen der Bürokratie, da gab es kaum einen Unterschied. Aber in die sozialistischen Länder haben sie uns teilweise einfach nicht reingelassen. Wir konnten zum Beispiel kein Konzert in der Sowjetunion geben. Polen war wiederum unproblematisch, aber Rumänien, Bulgarien: unmöglich! In die DDR konnten wir auch erst 1972. Mit dem Westen hatten wir solche Probleme nicht. Da war nur das Problem, ob uns jemand Geld dafür gab oder nicht.
- Wie die Tschechoslowakei hat auch Ungarn die Gewalt der sowjetischen Panzer zu spüren bekommen – 1956. Wie finden Sie es, dass Ungarn heute unter der Orbán-Regierung wieder so nah an Moskau rückt?
Wir sind Nachbarn und haben eine lange Geschichte. Mal waren die Russen gefährlich für uns, mal nicht. Die österreichisch-ungarische Monarchie war stark genug, dass Russland uns nicht gefährlich werden konnte. Heute sehe ich Russland auch nicht als so gefährlich an. Nicht zu probieren, mit Russland in gutem Kontakt zu stehen, wäre keine gute Politik.
- Als Omega zum 1972 ersten Mal in die DDR kam, hatte die Band schon ein Album in Großbritannien aufgenommen, genau bei dem Label, bei dem auch die Rolling Stones einen Plattenvertrag hatten. 1973 kam dann noch ein Plattenvertrag in der BRD dazu …
Ja, das war ein bisschen problematisch, dass wir auch in Westdeutschland sehr erfolgreich spielten. Das war der damaligen DDR-Regierung – naja – nicht so sympathisch. Als wir in der BRD richtig groß waren, haben wir weniger Auftritte in der DDR bekommen. Aber wir wollten uns nicht entscheiden –
West oder Ost. Wir wollten beides!
Aber wir haben schon gemerkt, dass wir im Osten – selbst zu Hause in Ungarn – nicht sehr viel reden konnten über unsere Erfolge im Westen.
- Hatte Omega damals Probleme mit der Zensur? Das Album „200 Jahre nach dem letzten Krieg“, das Omega 1972 in Ungarn aufgenommen hat, durfte zum Beispiel nicht veröffentlicht werden. Was war das für eine Geschichte?
Ach, das hatte nur persönliche Gründe. Der Vizepräsident der ungarischen Plattenfirma fühlte sich damals von einem Song beleidigt, dabei hatten wir ihn mit dem Song nicht einmal gemeint. Die Zensur war nicht so streng in Ungarn. Rockmusik war akzeptiert. Natürlich nur so lange sie keine Revolution anzetteln wollte. Omega wollte ohnehin nie über politische Dinge singen. Also wir konnten schreiben, was wir wollten. Einschränkungen gab es höchstens auf technischer Seite für uns. Wir hatten im Osten einfach nicht die Instrumente und Geräte. Dahingehend war der Westen sehr wichtig für uns. Wir haben unsere Technik dort gekauft.
Aber sie war extrem teuer für uns wegen des Zolls. Also haben wir auch viel nachgebaut oder selbst erfunden. Zum Beispiel den ersten PC – den haben wir noch vor Steve Jobs gebaut, mit einem Fernseher und einer Schreibmaschinentastatur. Ende der 1970er-Jahre hatten wir schon den ersten computergesteuerten Sampler und einen Sequenzer. Wir waren damit auch auf der Frankfurter Musikmesse, wo wir sehr viele ganz große Musiker getroffen haben. Brian May, der Leadgitarrist von Queen, kam vorbei und hat uns gefragt: Was wollt ihr mit diesen Sachen? Und wir haben ihm den ersten Gitarrensynthesizer gezeigt. So etwas war damals im Westen noch völlig unbekannt.
- Hat der Fall des Eisernen Vorhangs die Band verändert?
Nein, wir haben uns früher nicht für Politik interessiert und heute auch nicht. Also nicht, dass uns Politik überhaupt nicht interessieren würde, aber mit unserer Musik wollen wir das nicht bearbeiten. Das sind Probleme, die wir eh nicht lösen können oder in eine gute Richtung schreiben könnten. Wir akzeptieren immer die Situation, die gerade ist und das, was die Mehrheit der Ungarn will. Wir wollen uns nicht auf die eine oder andere Seite stellen. Deshalb gehe ich zum Beispiel auch gar nicht wählen. Wir stehen ja kurz vor der Parlamentswahl in Ungarn.
Ich glaube, wahrscheinlich bleibt alles beim Alten, und ich finde, das ist nicht so schlecht, wie viele Leute im Westen denken. Es ist nicht so einfach zu beurteilen, ob es ein Schritt in die richtige Richtung war oder nicht, eine ’neue Mauer‘ an der ungarischen Grenze zu bauen. Aber ich habe die ganzen Immigranten 2015 in Budapest gesehen. Mehr als 10.000 kamen an manchen Tagen über die Grenze. Das hätte Ungarn auf Dauer nicht überlebt. Ich glaube, der Grenzzaun war die einzige Möglichkeit.
- Orbáns Migrationspolitik kommt in Ungarn weitgehend gut an. Die Fidesz-Partei macht damit auch Wahlkampf. Aber sind die Ungarn auch damit einverstanden, dass die Regierung die Pressefreiheit zunehmend einschränkt?
Das ist eine Lüge, das ist nicht wahr. Sie können in Ungarn sagen, was Sie wollen.
Eines ist allerdings wirklich schlimm: die Korruption. Wie groß sie wirklich ist, kann ich nicht sagen. Aber wo gibt es sie nicht? Bei uns in Ungarn haben alle Regierungen Korruption betrieben. Aber dass man heute sagt, es gäbe in Ungarn keine Medienfreiheit, nein, das sehe ich nicht so. Ich kann hier und jetzt zum Beispiel sagen ‚down mit Orbán‘ und niemand wird mich dafür bestrafen.
- Was halten Sie denn wirklich von Orbán?
Er hat großen Eindruck auf mich gemacht, als er 1989 als junger Student seine Rede auf dem Heldenplatz hielt. Es ging um die Märtyrer der Ungarischen Revolution. Er hat genau das gesagt, was alle fühlten. Wir waren froh über diese jungen Politiker, sie waren alle Studenten und sie gehörten eben nicht mehr zum alten Regime. Ich habe damals gedacht, diesen jungen Mann werden wir nicht noch einmal sehen. Denn vorher werden die Russen wieder einmarschieren. Das dachte ich auch, als Gyula Horn den Eisernen Vorhang öffnete. Tja und heute ist Viktor Orbán älter geworden und ich kann ruhig sagen: Ich sehe keine Alternative zu ihm. Die Sozialisten und Liberalen, die gesamte Opposition in Ungarn ist untereinander so zerstritten, dass sie überhaupt kein Gegengewicht zu Orbán ist.
- Aber so einig scheint sich Omega nicht immer zu sein. Es gab zum Beispiel 2015 ziemlichen Zoff in der Band, als es um ein Konzert in der umstrittenen Pancho-Arena ging – ein millionenschweres Stadion, das Orbán auf Kosten der Staatskasse in seinem Kindheitsort Felcsút bauen ließ, der gerade mal 1.800 Einwohner hat. Der Bau des Stadions war ein Politikum und Tamás Mihaly verkündete öffentlich, dass er in diesem Stadion nicht auftreten werde und dann ging das durch die ganze Presse …
Sie meinen, die Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, wie Sie die Situation in Ungarn sehen? Nein. Tamás war damals schon drei Jahre lang kein aktives Bandmitglied mehr. Er wollte aufhören, denn in seinen Augen hatten wir schon alles erreicht, was möglich ist. Ich kann ihn gut verstehen. Allerdings hatten wir danach immer weiter neue Erfolge. Erst mit ‚Omega Sinfonie und Rhapsodie‘, dann mit ‚Oratorium‘. Dass das alles ohne ihn lief, fand er nicht so gut. Er kritisierte damals alles, was wir gemacht haben. Und speziell das Konzert in diesem Stadion, das sehr gut war.
Es ist nicht nur ein Stadion, es ist eine Kirche! Ich habe es zum ersten Mal gesehen, als ich zu einem Fußballmatch dort war. Und ich dachte sofort: Hier müssen wir das ‚Oratorium‘ live spielen. Mich hat nicht interessiert, was das mit Orbán zu tun hat oder nicht, was politisch daran ist. Wir wollen nichts mit Politik zu tun haben. Und es war auch überhaupt nicht so, dass Herr Orbán wie so ein Kim Jong Un das Konzert befohlen oder darum gebeten hat. Im Gegenteil. Fast hätte es nicht geklappt, denn es gehört zu einer Fußball-Akademie und der Direktor der Akademie war von unserer Idee nicht so begeistert.
- Ob politische Differenzen oder Neid – hatte der Streit Folgen für Omega?
Omega war immer eine Mannschaft. Und wenn man nicht in einem Team spielen kann, dann ist das ein Problem, dann muss man ohne die Person weiterspielen. Omega hat wirklich Ähnlichkeit mit einem Fußball-Club.
Das Wichtigste ist der Name ‚Omega‘.
Von den Anfängen bis heute gerechnet, hatten wir bestimmt 15 oder 20 Mitglieder und wir haben fünf verschiedene Stile gespielt, nicht nur einen wie die Rolling Stones. Auch Real Madrid hat schon etliche Mannschaften mit unterschiedlichen Stilen gehabt und trotzdem ist es immer noch Real Madrid. Genauso soll es auch mit Omega sein.
- Vielen Dank für das Gespräch.
Es wurde mit János Kóbor im Frühling 2018 gesprochen. Übernommen von MDR
Ein Kommentar
Es ist unendlich traurig, dass nach Laci und Misi nun auch Mecky die Bühne verlassen musste. Seit mehr als 50 Jahren war ich ein Fan von Omega. Die letzten Jahre sind wir zu vielen Konzerten im Osten Deutschlands und in Ungarn gefahren. Es war jedesmal ein tolles Erlebnis, ihre Musik zu hören und die anderen Fans zu treffen. Ich werde es furchtbar vermissen