25. September 2021 Auszug aus dem Buch Reisen rund um den Balaton„ von Károly Eötvös
…“Aber Bischof János Ranolder konnte auch etwas anderes. Einmal lud er uns in seinen Wald bei Sarvaly zur Jagd ein. Der Wald von Sarvaly liegt nicht weit von der Stadt Sümeg, im Komitat Zala. Das ist jetzt bereits dreißig Jahre her. Alle Anwesenden wurden später Parlamentsabgeordnete. Inzwischen leben kaum noch zwei-drei von ihnen.
Eine Jagd ist halt eine Jagd. Nicht viel mehr wie ein Ausflug. Jeder fährt auf eigene Kosten zu der Jagdhütte. Dort versorgt der Gastgeber einen mit einem warmen Zimmer, mit Essen und Trinken. Und wenn einer die Jagd satthat, genug gefroren und herumgestreift ist: dann fährt man nach Hause. So haben wir es auch gedacht.
Es war der 7. Januar, ein unbarmherzig kalter, nebliger, reifbedeckter Wintertag. Wir machten uns am frühen Morgen auf den Weg, das Mittagessen wurde in Tapolca vorbereitet, im Landgasthaus von dem braven Herrn Mojser. Wir steigen ab, ziehen unsere Mäntel aus und begeben uns in die große Schenke, unsere Schnauzbärte befreien wir vom Schnee und Eis. Herr Mojser bringt uns einen duftenden Schnaps und einen frisch gebackenen Hefekuchen. Er offeriert uns das alles, ebenso tut das mein Freund Josef Szirmay, der Schwager des Bischofs und sein Beauftragter, der Ausrichter der Jagd.
Baron Fiáth, unser Gespan, bekommt gute Laune. Er reibt seine frierenden Hände und sagt: „Wenn die Herren es erlauben, ihr seid heute meine Gäste.“ So ist es auch recht. Szentirmay nimmt das Angebot ohne Worte an, Herr Mojser lächelt auch dazu. Er öffnet eine große Tür lächelnd, die in das große Nebenzimmer führt und sagt zum Gespan: „Euer Hochwohlgeborene, es ist angerichtet.“
Wir gehen hinein. Unser Mund bleibt angesichts des großen Aufwandes offen. Überall mit Silberbesteck gedeckt. Der Tisch bog sich förmlich. Die schönst geschliffenen Bleikristallgläser aus Venedig und das teuerste Porzellan. Mehrarmige Kerzenhalter wie die Bäume im Wald. Die teuersten Weine des Landes in kleinen und großen Flaschen. Als Tischdekoration wunderbar anzuschauende Obst und ganze Weinstöcke mit glänzenden, reifen Trauben.
Und dann das Mittagessen! Es gibt vom Bakony-Gebirge und vom Plattensee kein edleres Fleisch von Haus- und Wildtieren, von Geflügel und Fisch, das nicht kalt oder warm, in Soße oder trocken aufgetischt worden wäre. Dann die Pasteten, die Torten, der ungarische Hefekuchen und sogar die Pogatschen mit Grieben. Unserem braven Gespan wird dieses Mittagessen für uns acht nicht weniger als tausend Forint kosten. Aber er steckte nicht mehr wie zweihundertfünfzig Forint in seine Tasche, als wir losfuhren. Wir wollten auf die Jagd und nicht zum Kartenspielen.
Dann musizierte der Zigeunerprimas auch noch. Er musizierte schlecht, aber trotzdem. Unser Gespan konnte die Rechnung kaum abwarten. Er sah schon, dass er nicht genug Geld dabei- hatte, aber er war doch gespannt, wie die Rechnung ausfällt. „Herr Wirt, Herr Wirt, bitte die Rechnung.“ „Es ist schon bezahl, Euer Hochwohlgeborene.“ „Was? Was erzählen Sie? Wer hat es bezahlt?“ „Euere Hochwohlgeborenen sind die Gäste seiner Exzellenz, des Bischofs, ich versorge die Gäste meines Herren als ob die Herrschaft selbst anwesend wäre.“ Das sollte der Wirt von der „Englischen Königin“ in Budapest nachmachen. Es ist wahr, Herr Mojser war der Pächter des Bischofs.
Es war eine strenge winterliche Dämmerung, als wir von hier, von Tapolca losfuhren. Der Abend war schon weit vorangeschritten, als wir im Bischofspalast in Sümeg ankamen. Unser Weg führte durch den tiefen Wald von Sarvaly. Der Kutscher, der Diener, das Pferd, die Herrschaft, alle waren betrunken. Aber es passierte kein Unglück.
Man richtete für uns im ersten Stock den Mittelteil und den linken Flügel des Palastes ein. Jeder Gast hatte ein Vorzimmer, ein Empfangszimmer und ein Schlafzimmer. Und für jeden Gast war ein Diener und ein eigener Jagdbegleiter zugeteilt. Mein Jagdbegleiter hieß Prapatich. Ein braver Junge. Ein Urahn von ihm war 1566 bei Szigetvár zusammen mit Zrínyi gegen die Türken gefallen. Dessen Leutnant war er. Wie das vom Dichter Miklós Zrínyi später, 1651 besungen wird.
Das Abendessen war kurz. Die Reise den ganzen Tag über, die Kälte, das große Mittagessen in Tapolca hat uns etwas müde gemacht. Wir legten uns früh hin.
Morgens um sechs ertönte das Horn im Schlosshof. Aufwachen bitte! Um sieben Uhr war das Horn wieder zu hören. Bitte zum Frühstück in den großen Speisesaal kommen. Um halb acht füllte sich der Schlosshof wieder mit den Horntönen. Die Wägen waren vorgefahren, und wir mussten in aller Eile, schnell in den Wald hinausfahren.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber ihr Licht wurde stärker. Sie schaffte es nicht ganz zu leuchten. Die schütteren und grauen Winternebel am Himmel, und auch auf dem Erdboden drängten sie in ihr nächtliches Bett zurück.
Um acht erreichten wir den Hain. Wir stellten uns in einer langen, offenen Linie auf. Hinter unserem Rücken lag der dichte Wald, vor uns ein Holzeinschlag, der vor etwa fünf-sechs Jahren entstand. In der weiten, mit Nebel bedeckten Ferne begannen etwa zweihundert Diener oder Leibeigene mit dem Trieb im Wald. Ganz früher waren die Treiber Sklaven, vor zweiundfünfzig Jahren Leibeigene, heute Tagelöhner. Der Jagdaufseher verwies jeden auf seinen Posten. Das Gewehr am Arm haltend, die Hand bedeckt, musste man erstarrt stehenbleiben.
Der Wind des Morgengrauens mischte sich aber in dieses Vergnügen ein.
Es waren vierzehn Grad minus. Der Wind blies von Norden her. Kein starker Wind, aber ein winterlicher, und trotzdem ein spürbarer Wind. Niemand von uns hatte die Kleidung eines Eskimos an. Und selbst ein Eskimo steht nicht stundenlang bewegungslos im Gebiet des Nordpols herum. Wir mussten aber ganze zwei Stunden bewegungslos dort stehen. In vierzehn Grad Kälte bei einem Nordwind! Was den Jägeranzug betraf, da habe ich nie den Besserwisser gespielt. Ich war gut angezogen. So konnte ich wenigstens sinnieren, mit Geduld warten und später mich mit meinen Jagdkollegen gutgelaunt necken. Solche frierenden Menschen habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen.
Der Wintertag ist echt kurz für ein Vergnügen, hei, aber der Wintertag in der klirrenden Kälte, oben am Berggipfel beim Sausen des Nordwindes ist wirklich lang. Wenn der Wald nicht braust, sondern säuselt. Wenn das Laub nicht grün ist, sondern vertrocknet. Wenn der Kamin, das süße Wort, der warme Bissen so weit erscheinen.
Es fiel mir Kane, der Polarforscher ein, der über die Kälte im Winter an der Hudson-Bucht und in der Gegend des Parry-Pols erzählt. Hei, braver Kane, schade, dass du nach Franklin so weit reisen musstest, damit du die Kälte kennenlernst und erzählen kannst, wie deine Matrosen froren. Du hättest zu uns kommen können und anschauen, wie der Landrat des Landkreises Veszprém friert und wie die Stützpfeiler der Regierung vom Bakony-Gebirge zittern. Der Matrose kann frieren, schließlich ist er nur ein Matrose. Aber wie kann das Wetter es wagen, dass der Gerichtspräsident vom Bakony frier? Und es gab keinen Gendarmen in der Nähe, mit dem man die Kälte hätte erschrecken können.
Hinter mir stand Prapatich, mein Jagdgehilfe. Sein Schnauzbart wurde sofort zum Eiszapfen. Seine Nase wurde aschig wie die Zwetschgen von Beszterce. Er ließ es auf keinen Fall zu, dass ich mich mit ihm unterhalte. Er machte mich mit Augen, Mund, Hand und Ohren darauf aufmerksam, dass das Gespräch das Wild verscheuchen würde. Ich gehorchte.
Die armen Treiber! Ein großes Tal trennte uns noch von ihnen. Sie begannen den Trieb am anderen Bergrücken und konnten noch gar nicht bis zum Fuß des Berges gekommen sein. Wie stark mussten sie in ihren zerrissenen, dünnen Winterkleidern frieren?
Früher war der Trieb eine Dienstbarkeit. Manche Herrschaften ließen das nicht einmal als Fron zu. Heute kommt der Treiber für Tageslohn, er muss nicht unbedingt kommen. Trotzdem kommen zweitausendmal so viel, wie man ruft. Für den einen ist das ein Vergnügen, der andere möchte sehen, wie die Herrschaft das Wild tötet, wie das warme Blut des Tieres fließt.
….
… Weit hinten im Tal beginnt irgendein unbekannter Lärm zu ertönen. In einem Kreis von einer halben Meile stampfen zweihundert Männer den knirschenden Schnee und schlagen mit ihren Stöcken das vertrocknete Laub des jungen Holzeinschlages. Aber einen Menschen, eine sich bewegende Kreatur sieht man nirgends. Wenn am dunklen Abend ein Starr über unsere Köpfe hinwegfliegt: das Sausen von tausendfachen unsichtbaren Vogelflügeln ähnelte diesem Lärm aus dem weit entfernten Tal.
Ich höre ein Zischen hinter meinem Rücken. Ich drehe meinen Kopf zur Seite. Prapatich winkt mit seinen Augenbrauen, dass ich nach vorne schauen solle. Zwanzig Schritte vor mir steht ein Hirsch. Er ist ein dreijähriger Bulle, mit einer wunderbaren schönen Gestalt. Er hebt seinen mit Geweih geschmückten Kopf hoch; seine beiden schönen Ohren spannen sich zum Horchen, mit seinen glänzenden Augen, dichten Augenbrauen blickt er Richtung Tal. Er stand mit dem Rücken zu mir auf einer Lichtung so groß wie ein Zimmer. Er überlegte, was der Lärm bedeuten sollte, der im Tal entstand.
Ich nehme mein Gewehr von meinem linken Arm und will es an die Schulter anlegen. Mein Fuß möchte sich unwillkürlich in die Stellung zum Schießen stellen, und der Schnee beginnt unter mir zu knirschen. Der Blitz ist nicht schneller, wie dieses herrliche Tier mich anblickt und mit einem riesigen Satz weiterspringt. Hei, mein Freund Donath, wenn du dieses Springen in Erz oder Marmor zu einer Statue gießen oder hauen könntest!
Ich habe diesen Hirschen nie mehr gesehen. Die Hirsche mit zerrissenem, schäbigem Fell im Zoo, wie sie bei den Besuchern um Futter betteln, was für traurige Gestalten sind sie im Vergleich zu diesem herrlichen Geschöpf. Ich habe es nie bereut, dass er davongekommen war.
Später fragte ich den Prapatich, warum er nicht geschossen hatte? „Man darf nicht. So ein Tier dürfen nur die Herren schießen“ Heidenei! Für die Herren muss auch die Natur und sogar der Wald ein Extrastück liefern wie dem Schneider oder dem Juwelier. So ist es auch recht.
Die Treibjagd ging zu Ende. Wir begaben uns zum Frühstück. Hundertjährige Eichen gefällt. Ihre dicken Äste sind die Sitzplätze. In fünf Haufen brennen fünf dicke Holzbrocken. Die lodernden Flammen steigen bis zu der Laubkrone der Bäume. In der Mitte des Scheiterhaufenkreises ist ein freier Platz, der vom Schnee gesäubert ist. In der Mitte des Platzes gibt es in riesigen Mengen kalter Schinken, Hammelkeule, Truthähne, Hefekuchen und Pogatschen. Und Wein-, sowie Schnapsflaschen in Reih und Glied, in Gefechtsstellung wie bei der Armee. Innerhalb der Scheiterhaufen nehmen die Herren und Hauptleute, sowie die Jäger Platz – außerhalb die Treiber, die Kutscher und die mit den Bauernwägen. Und mitten drin verteilt mein Freund Szentirmay den Braten, das Getränk, das aufmunternde Wort und die Befehle. Wie Napoleon in der Schlacht von Austerlitz.
Das war das Frühstück im Wald von Sarvaly.
Auf einmal ertönt das Horn, die Wägen fahren vor und dann geht es in den Palast von Sümeg! Um vier Uhr gibt es Mittagessen, um acht Tanzabend. Die glanzvollen Schönheiten der Stadt und der Umgebung sind zusammen. Morgens um drei gingen wir zu Bett. Denn in einigen Stunden, morgens um sechs ruft das Horn im Schlosshof erneut. Wieder hinaus in den Hain! So war es am nächsten Tag, so am dritten, und so war es die ganze Woche.
Es stimmt zwar, dass ich am dritten Tag zu keinerlei Hornton mehr aufwachte. Aber Prapatich war unerbittlich. Er bedrängte mich so lange, redete mir letztlich so zu Herzen, dass ich es zum Schluss doch verstand, dass die Wägen schon eingespannt waren und die Herrschaften mich im Speisesaal zum Frühstück erwarten.
„Mein lieber, guter Prapatich, war wirklich ihr Urahn, der den Heldentod bei der Verteidigung der Burg von Szigetvár erlitt?“ „Ja, es stimmt, mein Herr, das war mein Urahn.“ „Und Ihnen tut dieser ruhmreiche Urahn nicht leid?“„Nein, mein Herr, ich bin stolz auf ihn. Aber warum fragen Sie?“ „Weil ich stolz auf Sie wäre, wenn Sie bei der Verteidigung der ruhmreichen Festung Szigetvár gefallen wären. Dann könnte ich mich endlich einmal nach Lust und Laune ausschlafen.“
Solche Jagd veranstaltete Bischof János Ranolder für die Herrschaften des Komitats.
Auszug aus dem Buch „Reisen rund um den Balaton„ von Károly Eötvös., Budapest, 1901, S. 24-33.
Magyarul: https://mek.oszk.hu/04900/04924/html/ 24-33. old.
Autor, Károly Eötvös (1842-1910) war Politiker, Parlamentsabgeordnete, Schrifsteller und Publizist bzw. berühmtester Rechtsanwalt seiner Zeit.
Übersetzt von Dr. Gábor Bayor