30. November 2023 Ausschnitt aus der kriegswissenschaftliche Flugschrift von Miklós Zrínyi, 1661
Rühr den Ungarn nicht an! Arme ungarische Nation, so schlecht steht deine Sache, dass niemand ,ehr in deiner letzten Gefahrt aufschret? Dass niemand mehr dein Elend empört? Dass niemand zu deinem letzten Kampf auch nur ein ermutigendes Wort spricht?
Ungarn, an euch wende ich mich! Der Türke, dieser schreckliche Drachen hat uns Wardein und Jenő (Várad und Borosjenő, ungarischen Städte und Burgen in heutigen Rumänien) genommen und viele tausend ungarische Seelen in die Sklaverei verschleppt, viele durch das Schwert verdorben; Siebenbürgen, ein besonders schönes Juwel unserer Krone, wurde verwüstet und zugrunde gerichtet, sein Fürst verjagt, unsere Nation, unser Land werden niedergetreten wie ein schön gepflegter Weingarten von einem wilden Eber. Fragen wir uns nun, wer befindet sich in Gefahr, wen bedroht dieser Krieg? Wenn wir mit klarem Verstand herausfinden, dass das nicht unser Übel ist, dann wollen wir schweigen und uns auf den Entscheid anderer verlassen! Aber wenn die unvernünftigen Tiere bereit sind zu sterben, sobald ihre Höhle angegriffen und ihre Jungen weggeschleppt werden, um wieviel mehr müssen wir, die
wir die Nachfahren von ruhmreichen Geblüt sind, bereit sein, für unsere Väter, Mütter, Frauen, Kinder, für unser Vaterland alles einzusetzen, wenn es sein muss, auch unser Leben.
Wenn wir die Geschichte aufschlagen, so sehen wir, dass, seitdem das wütende Volk der Türken aus den Kaspischen Höhlen hervorgekommen ist, Christenblut nie aufgehört hat, in Bächen zu strömen. Wir müssen unser Glück versuchen, wenn wir erhalten bleiben wollen, und wir müssen mit uns selber abrechnen.
Denn ich sehe keinen einzigen Nachbarn oder keine einzige fremde Nation, die bereit wäre ihren Frieden mit unserer Gefahr zu vertauschen. …
Einer unserer Nachbarn ist der Pole; von ihm aber können wir keine Hilfe erwarten, denn er wurde selbst in seinen früheren Kriegen geschwächt, auch lässt ihn jetzt der Russe nicht in Frieden, und auch vor Schweden ist er nicht so sicher, um andere Sorgen haben zu können; der Tatar befindet sich in seiner Nachbarschaft, seine Angelegenheiten mit den Kosaken stehen nicht derart, dass er Vertrauen zu ihnen haben könnte.
Der andere Nachbar ist der Deutsche. Sprechen wir in genere von der deutsche Nation und dem Imperium! Denken wir denn, ob die deutsche Nation den Frieden und das Glück, in denen sie lebt, mit der Gefahr vertauschen will? Wissen wir denn, ob sie dem ungarischen Namen so verpflichtet ist, dass sie gegen ein so gefährliches wildes Tier, wie es der Türke ist, ihre Sicherheit auf das Spiel setzen will? Ob sie die Raub- und Vernichtungszüge der alten Hunnen unter Attila und später der anderen Ungarn nach Deutschland vergessen hat? Ob sie eine Wiederherstellung des ungarischen Reiches wünscht, von dem sie dann wieder nichts Gutes erwarten kann? …
Und wenn sie uns auch hilft, kann ich kaum annehmen, dass ihre Hilfe gründlich uns ständig sein wird, dass sie genügen wird, uns zu erhalten, dass sie, so etwas gewonnen ist, den Gewinn nicht selbst behalten will?
Der dritte Nachbar ist der Italiener, doch die Entfernung und der Umstand, dass das Land auf viele Herren und Herzöge verteilt ist, die gegensätzlicher Interessen sind, lässt uns nicht viel Hoffnung auf eine Hilfe von dort.
Über die französische Nation hätten wir etwas zu sagen. Diese Nation ist gewiss kriegerisch, ruhmreich und mächtig, aber es ist auch allgemein bekannt, dass man nicht viel von ihr erwarten kann, wenn sie nicht eigene Interessen zuliebe kämpft. Dazu kommt, dass der Franzose, wenn er siegt, unerträglich, wenn er unterliegt, nichts nutz ist.
Über den Russen spreche ich gar nicht, denn ein Diskurs über ihn ist wohl im Traum, nicht in der Wirklichkeit möglich. Das Land ist weit, das Volk ungeschlacht, seine Kriegsführung wertlos, seine Tapferkeit lächerlich, seine Politik töricht, das ganze Reich tyrannisch; wer kann also seine Hilfe gebrauchen!
England aber ist fast eine andere Welt; anders die Natur, anders die Kriegsführung. Auf seine Hilfe können wir ruhig verzichten. Die Entfernung der spanischen Nation, ihr Krieg mit Portugal enthebt uns jeden weiteren Diskurses; darüber zu sprechen ist überflüssig.
Siehe, ich habe die Christenheit aufgezählt, und wir sehen nun klar, dass wir von ihr keine Hilfe erwarten können, die zum Fundamentum unserer Freiheit werden könnte.
Wir können es uns gefallen lassen, dass viele fremde Völker zu unserer Hilfe eilen, doch haben wir nichts zu hoffen, wenn Fremde die Leitung des Krieges übernehmen, O Gott! Wenn du mich frägst: welches Volk ich mir wünsche und welche Nation ist mich anvertrauen möchte? Der ungarischen! Und warum? Weil sie die geeignetste, kräftigste schnellste und wenn du willst, die tapferste Nation ist.
Es ist leicht zu reden, zu predigen, der Kranke aber braucht das Heilmittel, die Wunde das Pflaster! Ich rufe dreimal: Waffen! Waffen! Waffen! Das brauchen wir und einen tapferen Entschluss.
Ungarn! Entweder retten wir uns damit, oder wir gehen alle heldenhaft unter. Es gibt keinen dritten Weg. Sollen wir fliehen? Wohin denn? Ungarn ist hier, wir finden es nirgendwo anders. Niemand wird sein eigenes Vaterland aus Freundschaft zu uns verlassen. Unsere edle, geliebte Freiheit ist unter den Himmel nirgends zu finden als in Pannonien. Hier müsst ihr siegen oder sterben!
Es sind fast zweihundert Jahre, seit die Ungarn gegen die Türken kämpfen. Wie oft sind die türkische Kaiser persönlich mit vielen Hunderttausend Soldaten in unser Land eingedrungen, allein der Sultan Suleiman, der tapferste Kaiser der ottomanischen Nation führte fünf Expeditionen gegen uns, und doch liess Gott uns nicht alle umkommen. Was wir verloren haben, ging das meist während des Friedens, als wir Scheinbündnisse gschlossen haben und nicht im Kriege verloren.
Und deshalb wünsche ich zu meinem Schutz Ungarn, nicht Inder oder Germanen, nicht Italiener oder Deutsche oder Spanier. Geben wir unseren Dingen neue Ordnungen, rücken wir unsere militärische Disziplin an ihren alten Ort und in ihre alte Würde. Wir sind nicht geringer als irgendeine andere Nation, und wenn wir auch wenige sind, doch sind wir nicht so wenige, dass es die türkischen Hunde nicht bereuen sollten, dass sie uns für nichts gehalten haben.
Wir alle müssen Stellung nehmen, denn wenn das Haus brennt, wird es jedem hoch angerechnet, wenn er Wasser bringt, um zu löschen; um wieviel mehr ist jetzt die Hilfe notwendig, der gute Rat und die gute Tat!
Deutsche Übersetzung aus dem Buch Ungarns Geschichte und Kultur in Dokumenten. Hrsg von Julius von Farkas, Wiesbaden, 1955.
Graf Miklós Zrínyi (1620-1664) war Dichter, Staatsmann und führender Feldherr des Türkenkrieges in Ungarn. Er setzte sich zum Ziel, das in drei Teile gerissene Land zu vereinigen, die Unabhängigkeit gegen die Kolonisationsbestrebungen der Habsburger zu verteidigen, die türkische Eroberer zu vertreiben sowie eine unabhängige, nationale, absolutistische Monarchie zustande zu bringen. Sein Flugschrift “Heilmittel gegen das türkische Opium” forderte er die Aufstellung einer ständigen ungarischen Nationalarmee.
Bildquelle: Wikipedia. Gemälde von Johann Peter Krafft (1825) Die Szene zeigt den Ausbruch des Grafen Miklós Zrínyi und seiner Soldaten der Burg von Szigetvár, gegen die belagernden Türken im Jahr 1566. Das Gemälde befindet sich heute in der Ungarischen Nationalgalerie in Budapest.
Ein Kommentar
Kedves Iren, köszönöm, hogy nemetül is elküldted ezt az ertekes dokumentet! Mindjart tovabb is adtam az unokaimnak, aki, sajnos csak nemetül olvasnak! A törtenelmünk egesz folyamara jellemzö, hogy a nyugat bennünket mindig cserben hagyott, söt sokszor ellenünk volt! Tovabbi sok sikert kivanok ujsagodhoz
Üdvözlettel M. Lajos