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Moderne Sklaven auf dem GULAG

 28. November 2023 Moszkvater.com von Gábor Stier

In Ungarn ist der 25. November der Jahrestag zum Gedenken an jene mehrere Hunderttausende ungarische Menschen, die in den Jahren des II. Weltkrieges oder danach in die Arbeitslager der Sowjetunion deportiert worden waren. Sie sind Opfer des verbrecherischen Stalin-Regimes, wie auch Opfer des an der Seite Nazi-Deutschlands die Sowjetunion angreifenden, damaligen ungarischen Staates.

GULAG bedeutet „Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager und -kolonien.“ Der Ausdruck bezeichnet das System der Zwangsarbeitslager, das die ganze stalinistische Sowjetunion überzog. Eine der ersten Maßnahmen der im Jahre 1917 in Russland an die Macht gekommenen Kommunisten war, die wegen ihrer Abstammung oder ihrer politischen Überzeugung zum Systemfeind erklärten Menschen in Zwangsarbeitslager einzusperren.

Das Lagersystem wurde 1930 der Zuständigkeit der Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager (GULAG) zugewiesen. Das Ziel war die Bestrafung der politischen Gegner, die Einschüchterung der sowjetischen Bevölkerung und nicht zuletzt die Befriedigung des Bedarfes an Arbeitskräften. Die Modernisierung des Landes benötigte nämlich Billigarbeit en masse. die unter anderem durch die Ausnutzung der in den GULAG-Lagern gehaltenen inländischen und aus dem Ausland verschleppten Gefangenen sichergestellt. wurden. Im Wesentlichen ließen sie die für eine forcierte Industrialisierung der Sowjetunion notwendig gehaltenen Arbeiten durch die zur Sklavenarbeit abkommandierten Gefangenen verrichten. Bis zum Ende der 1930-er Jahre, unter der Schreckensherrschaft von Stalin, erreichte die Zahl der in den Lagern internierten Menschen nach manchen Schätzungen acht Millionen; die unmenschlichen Bedingungen führten zum Tod von mehreren Millionen Gefangenen.

Unter den GULAG-Gefangenen haben folgendes eine wahre Dezimierung angerichtet: die tagaus, tagein 10-12 Stunden lang, bis zur 42 Grad Kälte obligatorisch zu verrichtende Sklavenarbeit, die Grausamkeiten der Wächter, die erbärmliche Verpflegung, die permanenten Krankheiten und dadurch ausgebrochenen Epidemien sowie die dürftige ärztliche Versorgung. Die Auflösung der Lager begann nach Stalins Tod im Jahr 1953. Woraufhin die ersten politischen Gefangenen nach Hause zurückkehren konnten, aber im breiteren Rahmen wurde dieser Vorgang erst nach dem XX. Kongress der KPdSU im Jahr 1956 durchgeführt. Die Institution GULAG wurde endgültig am 25. Januar 1960 aufgelöst.

GUPVI, bedeutet auf Deutsch die Hauptverwaltung für die Kriegsgefangenen- und Internierungslager. Bei Ausbruch des zweiten Weltkrieges wurde von den Sowjets ein neues Lagersystem neben dem GULAG ins Leben gerufen, das mit dem GULAG zusammengearbeitet hatte. Die Ausführung der Aufgabe wurde dem Volkskommissar für Innere Angelegenheiten, Lawrentij Berija am 19. September 1939 übertragen.

Zwischen den beiden Lagersystemen gab es einen bedeutenden Unterschied. Während nämlich die Gefangenen in den Straflagern des GULAG anhand von Gerichtsurteilen, die meist auf erfundene Anklagen basierten und einzelne Personen betrafen, verschleppt wurden, so transportierte man in die GUPVI-Lager die Menschen in Massen zur Zwangsarbeit, wobei die Identität des Einzelnen vollkommen gleichgültig war.

Die Sowjets bereiteten sich ganz bewusst auf die Verschleppung der Bevölkerungsgruppen aus den während des zweiten Weltkrieges eroberten Gebieten vor. Das zeigt sich durch die im Jahr 1943 gegründete, ein sowjetisches Gutmachungsprogramm ausarbeitende Kommission, die die Beschäftigung von  fünf Millionen deutscher Zwangsarbeiter für zehn Jahre vorsah. Ein neues Gesetz vom 14. April 1943 erlaubte, dass man auch Kriegsgefangenen zur 15-20 Jahre lange Zwangsarbeit verurteilen konnte. Als im Herbst 1943 die Zurückdrängung der deutschen Armee aus den dichtbesiedelten westlichen Teilen der Sowjetunion bzw. aus Osteuropa begann, wuchs die Zahl der in den Lagern schuftenden Menschen stark an. Nach einer Umstrukturierung im Jahr 1945 bestand dieses Lagernetzwerk aus 350 Hauptlagern und aus etwa 4000 Nebenlagern.

Die siegreiche Sowjetunion betrachtete die Arbeitskräfte aus den eroberten und unterjochten Ländern als ein Teil der Wiedergutmachung. Man verschleppte mehr als vier Millionen ausländische Staatsbürger zur Zwangsarbeit in die Arbeitslager. 85 Prozent der in die Gefangenschaft geratenen Personen waren Deutsche, Japaner und Ungarn, sie waren neben den Kriegsgefangenen ebenso durch Zufall eingesammelte Zivilisten. Die Zwangsarbeiter wurden bei dem Wiederaufbau der Städte und Fabriken, zur Entwässerung der Moore, zum Bau von Fabriken, Straßen, Brücken und Dämme eingesetzt.

Das Einsammeln der „Kriegsgefangenen“ – die überwiegend Zivilisten und keine Soldaten waren – begann im Szeklerland im Herbst 1944. Da kamen diejenigen  in die Lager, die die sowjetischen Militärgerichte in Zusammenarbeit mit den neuen ungarischen Behörden wegen des Vorwurfs von Kriegsverbrechen, der meist jeglichen Grund entbehrte, verurteilt hatten.

Aus der Bevölkerung wurden manchmal vereinzelte, zufällig gefasste Personen mitgenommen, aber es kamen auch systematisch betriebene Verschleppungen in die GUPVI-Lager vor, wenn das Ziel die Veränderung der ethnischen Verhältnisse eines Gebietes war: dazu kam es in Transkarpatien, wo diese Maßnahme auf die ungarische Bevölkerung abgezielt hat. Aufgrund der Zeugenaussagen kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit behaupten, dass die Siedlungen, über die die Front schnell hinwegzog, nur von sporadischen Verschleppungen betroffen waren, während dort, wo blutig und langandauernd gekämpft wurde, eine systematische Deportation stattfand.  

Für die Verschleppung genügte es, wenn die Sowjets oder ihre Helfershelfer von einem annahmen, dass er „Deutscher“ sein könnte. Von denjenigen, die von Ungarn als Deutsche deportiert worden waren, hatte die Mehrheit nicht einmal Deutsch als Muttersprache. Man nahm in besonders hoher Zahl Menschen aus Budapest mit. Nach Schätzung der Geschichtswissenschaftler nahm die Rote Armee während der Belagerung der Stadt und danach 40-50 Tausend Soldaten gefangen, aber die Zahl der verschleppten Zivilisten kann man auf 50-100 Tausend beziffern. Die sowjetische Besatzungsarmee suchte alle auf, die sie aus ihrer Sicht bei der Machtübernahme als gefährlich eingestuft hatte. Dazu gehörten ehemalige Ministerpräsidenten, Minister, Abgeordnete, Botschafter, Offiziere, Priester, Lehrer, Diplomaten, die alle deportiert wurden.

Das „Museum Haus des Terrors“ (Terror Háza Múzeum) organisierte im Rahmen dieses Gedenkjahres eine zeitlich begrenzte Ausstellung mit dem Titel „Zum Sklavenschicksal verurteilt“ auf dem öffentlichen Platz vor dem Museum. Das Museum richtete einen eigenen Saal in seiner ständigen Ausstellung zur Darstellung der sowjetischen Zwangs- und Sklavenarbeitslager ein. Der Saal im zweiten Stock mit dem Namen „GULAG- Malenkij robot“ erinnert an die Ungarn – Zivilsten, Kriegsgefangenen und politisch Verurteilten –, die durch die sowjetischen Truppen zur Zwangsarbeit in die Lager deportiert worden waren. Die Größe des Saales, die den Boden bedeckende Landkarte, die Rückerinnerungen und die Holztäfelung an der Wand des Saales zeigen das hoffnungslose Schicksal der in den unendlichen Weiten der Sowjetunion in Gefangenschaft gehaltenen und in Baracken wohnenden 700 Tausend Ungarn.

MAGYARUL: https://moszkvater.com/modern-rabszolgak-a-gulagon

Deutsche Übersetzung von Dr. Gábor Bayor und Tamás Horváth

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