Die „Lügenrede“ hat der damalige Ministerpräsident Ungarns, Ferenc Gyurcsány am 25. Mai 2006 in Balatonöszöd, an der Klausursitzung der Sozialistischen Partei (MSZP) gehalten. Nach den Wahlen 2006 hat er seinen Parteigenossen gesagt: „wir in den letzten anderthalb bis zwei Jahren durchweg gelogen haben. Es war uns klar, dass das, was wir sagen, nicht wahr ist. Wir sind so weit über die Möglichkeiten des Landes hinausgegangen, wie wir uns das vorher nicht vorstellen konnten, dass die gemeinsame Regierung der Ungarischen Sozialistischen Partei und der Liberalen dies jemals tun würde. Die Geheimrede wurde am 17. September 2006 bekannt gegeben und hat große Empörungen und Demonstrationen gelöst, die durch Polizeiattacken am 23. Oktober niedergeschlagen wurden. Gyurcsány blieb bis zum 2008 Ministerpräsident der Ungarischen Republik. Brussel hat damals damit keine Rechtsstaatlichkeitsprobleme gehabt. Gyurcsány ist im ungarischen politischen Leben noch immer sehr aktiv, er ist der Parteivorsitzende der Demokratischen Koalition (DK), Führer der gesamten Opposition. Seine Frau, Klára Dobrev ist eine EP-Abgeordnete, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. So sieht das politische Netzwerk der Europäischen Linken aus.
17. September, 2021, die Lügenrede von Ferenc Gyurcsány,
„Das, was ich euch heute in einer Stunde, vielleicht war es auch mehr, erzählen konnte, ist natürlich nicht unsere ganze Politik. Das kann nicht die Vielzahl der vor uns stehenden Dinge, die noch getan werden müssen, und die Vielfältigkeit der Kommunikation, die zum Erfolg notwendig ist, in so kurzer Zeit erklären. Hierbei bedanken wir uns für jede Warnung und jeden Ratschlag in dieser Sache.
Wenn ich ehrlich zu euch bin, dann kann ich sagen, dass wir voller Zweifel sind, dass sich hinter der Selbstsicherheit eine Menge Leid und Qual verstecken.
Ich weiß ganz genau, dass nichts, was wir machen, perfekt wird. Bei zahlreichen Fällen habe ich keine Ahnung, welcher der sechste Schritt sein wird, ich kenne nicht mal mehr den dritten. Ich kenne die ersten beiden Schritte.
Mann muss versuchen, all diese Angelegenheiten auf einmal vorwärts zu bringen, ihre Zusammenhänge zu erhalten, Gutgläubigkeit zu sichern, den Koalitionspartner zu unterstützen, das Management und die Publizisten der einflussreichsten Zeitungen auf das vorzubereiten, womit sie zu rechnen haben. All die Leute müssen in diesen Prozess einbezogen werden. Lernen, wie man ohne minütlich zusammenzuzucken fortschreitet.
Ich kenne die Konzeqenzen jeder Entscheidung, die wir treffen, überhaupt nicht. Wir wissen das alle nicht. Dafür haben wir nicht genügend Kapazitäten. Wir arbeiten jeden morgen von 7 bis spät in die Nacht, aber vergeblich, nach einem bestimmten Punkt kann man nicht noch mehr machen. Mehr als 12 bis 15 Leute passen nicht an den Tisch, an dem wir uns gemeinsam mit Regierungsmitgliedern, Mitarbeitern der Ministerien und Experten abstimmen müssen. Wir können das nicht. Das sind unsere Fähigkeiten, Kinder.
Was im letzen Monat machbar war, haben wir gemacht.
Was wir in den vorherigen Monaten im Geheimen tun konnten, so dass kein einziges Papier unseres Konzeptes während der Wahlkampagne zum Vorschein kam, haben wir getan. Wir haben unser Geheimnis so sehr behütet, und ihr wusstet genau wie wir, dass falls wir gewinnen, wir uns richtig ins Zeug legen müssen, als hätte es solche Probleme nie gegeben.
Seit letztem Sommer behüten und demonstrieren wir unsere politische Einheit wie sonst im ganzen Jahr nicht. Oder vielleicht nie zuvor. Unser Wissen basiert auf Unsicherheiten. Ja. Ihr habt recht. Wir wissen ganz ganau, dass wir unzähligen Risiken gegenüberstehen.
Auch wenn ihr mich vor der Ablehnung des Verfassungsgerichts warnt, das wissen wir. Es ist kein Problem, dass ihr das sagt, aber glaubt mir, wir wissen das. Für Jóska Petrétei (Justizminister, 2006) arbeitet eine sehr kleine Gruppe, fünf-sechs-sieben Personen, da wir in der jetzigen Phase aus dem Ministerium nicht mehr reinlassen dürfen. Damit wir keine Probleme bekommen. Von morgens bis in die Nacht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Manchmal gehen wir einander bei den Punkten auf die Nerven, wo wir versuchen, das nötige Geld zusammenzukriegen. Ihr kennt das von mir wahrscheinlich nicht, aber im vergangenen Monat ist es mir vielleicht dreimal passiert, dass ich vor Stress während einer Sitzung rumbrüllte. Nicht mit den Kollegen, sondern während der politischen Abstimmungen, damit sie sich endlich verpissen und wir weitermachen können. Weiter vorwärts!
Wir haben keine große Wahl. Weil wir es verfickt haben. Nicht ein bisschen, sondern sehr. Sowas Beklopptes, was wir getan haben, hat sich in Europa noch kein einziges Land erlaubt. Man kann es erklären. Es ist offensichtlich, dass wir in den letzten anderthalb bis zwei Jahren durchweg gelogen haben. Es war uns klar, dass das, was wir sagen, nicht wahr ist. Wir sind so weit über die Möglichkeiten des Landes hinausgegangen, wie wir uns das vorher nicht vorstellen konnten, dass die gemeinsame Regierung der Ungarischen Sozialistischen Partei und der Liberalen dies jemals tun würde. Ansonsten haben wir vier Jahre lang nichts gemacht. Nichts. Ich kann keine einzige Regierungsmaßnahme nennen, worauf wir stolz sein könnten, außer dass wir letzten Endes die Regierung aus der Scheiße wieder rausholen konnten.
Nichts anderes. Was sagen wir, wenn wir dem Land berichten müssten, was wir in den letzten vier Jahren gemacht haben? Das Ganze ist nicht gut, ruhig und exakt aufgebaut. Nein, nein. Es wird verdammt hastig zusammengehauen, weil wir es eine Zeit lang nicht machen konnten, damit es nicht herauskommt, jetzt müssen wir so verdammt viel tun, dass wir dabei fast eingehen. Und wir kollabieren langsam dabei. Weil wir das Tempo nicht mehr aushalten können. Das ist die Lage. In der Zwischenzeit müssen wir uns noch mit den Freien Demokraten einigen, denn es gibt noch Ministerprobleme – wie ihr wisst.
Schaut, die Sache ist die Folgende; kurzfristig haben wir keine Möglichkeit. Jani Veres hat Recht. Ein bisschen können wir noch rumtrödeln, aber nicht mehr lange. Die Stunde der Wahrheit ist schnell gekommen.
Die göttliche Fügung, die Geldschwemme in der Weltwirtschaft und hunderte Tricks, von denen ihr natürlich nichts wissen müsst, haben uns geholfen, damit wir das hier überleben. Das geht jetzt so nicht mehr weiter. Ende. Klar, wir können noch lange nachdenken und verdammt viele Analysen durchführen, wie die Zukunft der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen aussehen wird, das kann ich euch sagen. Kinder, wir können nicht mehr wochenlang analysieren, dafür haben wir keine Zeit mehr. Am ersten Tag muss gesagt werden, was getan werden muss, damit noch in diesem Jahr eine Korrektur stattfinden kann, dass noch am 1. September bestimmte Rechtsvorschriften in Kraft treten können. Ich kann natürlich noch einige Wochen lang analysieren, und dann kommen Experten, die sagen, dass auch sie bereits analysiert haben. Ungarn ist abgeschrieben. Unter diesen Umständen ist das, was wir machen, lange nicht perfekt, einen Plan B habe ich nicht.
Diejenigen, die im Umfeld der Ungarischen Sozialistischen Partei einflussreiche meinungsbildende, makroökonomische Kenntnisse haben, von Kornai bis Bokros, von Békés bis Surányi, von Vértes und weiß der Himmel wer noch, wir haben mit ihnen gesprochen, gelitten und geschrien. Und ich muss Ihnen auch sagen, dass wir auf viele tolle Ideen gestoßen sind. What the fuck!
Und es stellt sich heraus, dass sogar die größten und angesehensten unter uns Irrtümern von hundertmilliarden Forint unterliegen. Nehmen wir von jedem Immobiliensteuer. Wisst ihr, wie viel Geld wir zusammenkriegen, wenn jede einzelne Immobilie besteuert wird, die mehr als 5 Millionen Forint Wert ist? Ich sage bewusst eine niedrige Grenze, nicht 100 Millionen, sondern fünf. Und nebenbei geben wir noch die kommunalen 52 Milliarden, die aus der Kommunalsteuer hereinkommen, was von der Gemeindesteuer kommt, weil sie dann an sie abgegeben werden muss, das sind dann ihre Einnahmen. Der Saldo des Ganzen beträgt weniger als 20 Milliarden HUF.
Sándor Demján, der vielleicht einflussreichste Geschäftsmann Ungarns, kommt zu mir. Er hat eine große Stimme. Mein lieber Feri, ich habe in der Sárközi-Studie gelesen, dass wir 700-800 Milliarden Forint sparen, wenn wir alle Hintergrundinstitutionen schließen. Ich sage: mein lieber Sanyi, bist du normal? Du könntest wenigstens rechnen, Du lieber Gott!
Unser Freund Gyuri Surányi (Präsident der Ungarischen Nationalbank, MNB), sagt, er hätte die Lösung, wie man die Steuerbefreiung des Mindestlohns so umgestalten kann, dass Gerechtigkeit gewahrt werden kann. Dann arbeiten wir lange mit ihm zusammen. Dann schickt er endlich sein Papier mit seinen Berechnungen und es stellt sich heraus, dass alles gut ist, nur weiß er nicht, dass die Institution der Steuergutschrift heute in Ungarn existiert und das auch umgebaut werden muss, das macht die Summe von 230 Milliarden Forint aus. Oha!? Nun, wenn die 200 Milliarden Forint in der Packung sind, dann gibt es keine Lösung mehr. Es gibt viele gute Ideen, solange es nicht ums Rechnen geht. Wenn man rechnen muss, ist auch ihre Wissenschaft am Ende.
Meistens gibt es viel Kritik, dass das System nicht rund, nicht konsistent genug ist, jeder hat irgendwelche Ideen, welcher Teil herausgenommen werden sollte, damit der Rest konsistenter wird, und dabei stellt sich heraus, dass nur noch ein Drittel der Geldsumme da ist, welche wir nötig hätten. Ach so! So kann ich selbst auch konsistent sein. So schaffe auch ich ein konsistentes System.
Mein Problem ist aber, dass wir nicht 50 Milliarden Forint benötigen, sondern ich sage es euch nicht, wie viel Geld wir brauchen. Das ist das Problem. Und all dies muss so erledigt werden, dass es unseren längerfristigen Plan nicht durchkreuzen sollte.
Kinder. Wir sind nicht perfekt. Überhaupt nicht. Werden wir nie sein. Ich kann Euch nicht sagen, dass alles in Ordnung sein wird. Ich kann Euch sagen, was ich seit einem Jahr sage. Was anständig machbar ist, was aus unserem Talent kommt, weil wir keine besonderen Spielchen spielen, weil wir unsere Energie nicht darauf verwenden, uns gegenseitig mit Scheiße zu bewerfen, weil es keine besonderen Interessen gibt, welche der Öffentlichkeit unter uns nicht standhalten würden, weil ich nichts mit Euch erledigen will.
Das Team, dem ihr die Führung dieser Seite überlassen habt, kann ungefähr genau so viel leisten. Es kann ein ungefähres Programm vorgeben. Vielleicht gibt es andere Teams, die etwas anderes könnten. Wir können nicht mehr und nichts besseres. Wir sind dazu nicht fähig, auch wenn wir daran krepieren sollten. Wir werden dazu nicht fähig sein. Viel Arbeit, anständige Arbeit läuft unter uns. Wir müssen es schaffen. Ich rede nicht über das neue Ungarn, über die Entwicklungen, über die Ungarn, die außerhalb unserer Grenzen leben, über Kontakte zur Kirche und über tausend andere Sachen, weil das alles heute nicht mehr so wichtig ist. Wir werden zu jedem Thema bedeutende, ausführliche und tiefgehende Vorschläge haben. Einige werden übrraschend klingen. Aber wenn wir das große Ganze betrachten, sind diese Sachen nicht wirklich wichtig. Reform oder Untergang. Etwas anderes gibt es nicht. Und wenn ich Untergang sage, dann rede ich über Ungarn, über die Linken, und ehrlich gesagt auch über mich selbst.
Und jetzt will ich euch ein einziges Mal in drei Minuten sagen. Dies werde ich euch höchstens noch einmal sagen. Politik zu machen ist fantastisch. Fantastisch. Ein Land zu regieren ist fantastisch. Die letzen anderthalb Jahre konnte ich persönlich nur durchmachen, weil ich eins vor meinen Augen hatte und mich eine Sache motivierte: den Linken den Glauben wiedergeben, dass sie wieder mehr Selbstvertrauen haben, dass sie gewinnen können. Man muss den Kopf in diesem verhurten Land nicht hängen lassen. Man muss sich vor Viktor Orbán oder vor den Rechten nicht in die Hose machen, wir sollten endlich lernen, sich nicht mit der rechten Seite, sondern mit der Welt zu vergleichen. Das gab mir den Glauben, dass das Ganze einen Sinn hat. Das war was Tolles. Ich habe es geliebt. Ich betete es an. War die beste Zeit meines Lebens. Jetzt gibt es mir Kraft, dass ich Geschichte schreibe. Nicht für die Geschichtsbücher, auf die scheiße ich. Mich interessiert überhaupt nicht, ob wir in Geschichtsbüchern stehen werden oder nicht, das interessiert mich zumindest nicht. Ob wir was Großes schaffen? Ob wir sagen: verdammt nochmal, da kamen einige, die es gewagt haben und sich keinen Dreck darum gekümmert haben, was in den Reiseabrechnungen steht. Zum Ficken nochmal. Da kamen einige, die es gewagt haben und sich keine Gedanken darüber gemacht haben, ob sie einen Platz in der Gemeindeverwaltung ergattern werden, sondern verstanden haben, dass es um etwas anderes in diesem Huren-Land geht. Die es verstanden haben, dass es sich auch zu Beginn des 21. Jahrhundert lohnt, Politiker zu werden, um eine neue Welt zu schaffen. Nur darum. Existenz findet man noch oft genug.
Ich weiß, ich kann leicht reden. Ich weiß. Ihr müsst mich nicht immer dran erinnern. Aber das ist der einzige Grund.
Ich bin fast dran krepiert, dass wir anderthalb Jahre so tun mussten, als ob wir regieren würden. Stattdessen haben wir gelogen, von morgens bis in die Nacht, auch abends.
Ich will so nicht weitermachen. Entweder machen wir es richtig, ihr habt jemanden dafür, oder wir lassen es einen anderen machen. Ich werde kein einziges Interview geben, wenn wir am Ende mit Streit auseinandergehen. Niemals. Ich werde der ungarischen Linken niemals wehtun. Niemals. Das Ganze lohnt sich aber nur, wenn wir die großen Dinge anpacken.
Alles erklären und in langen Ausschüssen rumsitzen, neue Arbeitsgruppen einberufen, dann feststellen, dass wir uns in keinem einzigen Gesetz einigen können, weil wieder nur Kompromisse geschlossen werden, die im Grunde genommen Kompromisse des Nichtstuns sind, damit alles bleibt, wie es ist. Alles andere verstößt gegen die Interessen irgend einer Person. Das erfordert eine andere Madame. Das wird meine Anbetung nicht ändern, überhaupt nicht.
Ich werde nicht jeden Tag aufstehen. Gyula Horn (sozialistische Ministerpräsident Ungarns, 1994-98) hatte ebenfalls so einen Minister, der jeden Tag kündigen wollte. Ich hatte auch so einen Ministerpräsidenten-Vorgänger, der immer wieder sagte, ich bin nicht so ein Typ wie die anderen. Solange wir die Kraft haben und vorwärtsgehen, macht es einen Sinn. Und dann verschwinde ich eines Tages ganz leise. Es lohnt sich für nichts anderes.
Jeder soll für sich selbst entscheiden, ob er das Ding für 4-500 Tausend Forint macht, was verdammt wichtig ist, besonders dann, wenn die Person sowieso keinen anderen Beruf hat, nur diesen, ich weiß. Ob wir die Geschichten der letzten fünfzehn Jahre überwinden können und neue Deals abschließen, oder man denkt; verdammt, die nächsten vier Jahre werden sowieso genauso wie die bisherigen. Wir hatten ja bereits genügend Ministerpräsidenten, den jetzigen werden wir auch los. Wir werden es überleben. Kann sein. Und ich sage auch, dass dies eine legitime Argumentation ist, und es stößt mich nicht ab, überhaupt nicht. In der Fraktion gibt es mehrere Personen, die fürs Regieren geeignet wären. Ich sag’s euch, holt tief Luft, trinkt tierisch viel Wein, schlaft zwei-drei Nächte und entscheidet dann.
Wenn jeder immer nur das sagt, was er in den vergangenen Jahren immer gesagt hat und da stecken bleibt, friss auf, kann sein, dass ich was anderes sagen soll als das, was ich seit fünf Jahren sage, weil wir offensichtlich nichts vereinbaren konnten.
Wenn 190 Leute die selben Sätze sagen, die schon in den letzten Jahren gesagt wurden, dann wird nichts passieren, weil wir so nichts vereinbaren können. Fuck it. Ich bin zwar nicht einverstanden, aber egal ich lasse es los. Lasst es die erst mal machen. Und dann etwas anderes, … lassen sie los, damit andere rankommen. Reform ist nicht, dass die anderen sich verändern wollen. Reform ist nicht, dass wir vor Menschenmassen stehen und unser Mantra aufsagen. Reform ist, wenn wir bereit sind, unsere Taten und Gedanken neu zu bewerten. Im Vergleich dazu ist der Job der ersten Monate, der Job der Korrektur, nur ein einfacher Zwang, das muss ich zugeben.
Ihr liegt falsch, wenn ihr glaubt, dass ihr eine Wahl habt. Ihr habt keine. Ich habe auch keine. Die einzige Frage ist heute, ob wir versuchen, die Ereignisse zu beeinflussen, ansonsten kommt eine Menge Mist auf uns zu, verdammt noch mal.
Unsere Lösung ist mit Sicherheit nicht perfekt, da habt ihr Recht, aber wir kennen nichts Besseres, womit die Fachleute einverstanden wären, was der Markt und der Koalitionspartner akzeptieren könnten. Bei uns, denjenigen, die das machen, von Béla bis János Veres (Finanzminister), von Péter Kiss (Minister für Sozialwesen) bis Ildiko (Lendvai, Fraktionsvorsitzende der MSZP) , von Imre Szekeres (Verteidigungsminister) bis István Hiller (Kultusminister), sei gesagt, wir glauben mehr oder weniger daran, dass es um das Gute geht. Weil sie es glauben müssen, müssen sie es alle glauben. Allein, getrennt, wissen wir auch etwas anderes, wir sind nur nicht alleine, wir sitzen da mit elf Leuten oder so am Tisch und müssen es akzeptieren.
Ich denke, dass wir es schaffen können. Kinder, ich denke,
wir werden Konflikte haben, ja, so wird es sein. Es wird Demonstrationen geben, was sonst. Lasst die Leute vorm Parlament demonstrieren. Nach einer Weile wird’s denen langweilig und sie gehen nach Hause.
Wir packen es nur, wenn ihr an das Wesentliche glaubt, und im Wesentlichen liegt die Übereistimmung. Wir müssen Konflikte zwischen uns vermeiden, wir verletzen sonst Interessen, damit dürfen wir gar nicht erst anfangen, das dürfen wir nicht. Ich bestehe auf gar nichts. Es ist nicht wahr, dass ich darauf bestehe, dass es in meinem Kopf etwas gibt, das im Gesundheitswesen so sein muss, es muss sein, … bloß nicht! Ich organisiere diese Gespräche, ich vermittle, ich öffne Türen für die Typen, um ihnen zu sagen, was in uns steckt. Ich diktiere nicht. Das ist nicht wahr. Wenn ich diktiere, nur dann, wenn sie langsamer werden und nicht kapieren wollen, verdammt nochmal. Das betrachte ich als mein Geschäft. Und wenn wir uns geeinigt haben, dann lasse ich nicht zu, dass sie nachlassen. Es geht nicht darum, dass ich ein Skript von A bis Z für Ungarn habe und sage, ich werde Euch das einprügeln. Verdammt nochmal! Ich habe ein Szenario von A bis Z, wie die unglaubliche Energie der Sozialisten genutzt werden kann, um das Land zu verändern, es dahin zu bringen, endlich ihre Leichtgläubigkeit und alte Wahrheiten zu überwinden. So ist es. Und wenn ich was nicht ertragen kann, dann brülle ich mal. Ich habe keine persönliche Story zu diesem Thema, gar keine. Es bedeutete mir viel,was ich in den letzten anderthalb Jahren machen konnte.
Meine persönliche Geschichte ist; verändern wir dieses Hurenland, weil wer wird es sonst tun? Viktor Orban und seine Leute werden es tun? Oder Plan C: Es bleibt alles beim alten. Man kann noch eine Weile weiter wursteln. Natürlich ist die Situation des Gesundheitswesens kompliziert. Jeder, der eine medizinische Einrichtung betritt, weiß, dass sie auf zahllosen Lügen aufgebaut ist. Natürlich ist die Situation des Bildungssystems kompliziert. Wir sehen zumindest, dass es das Wissen nicht gleichmäßig verteilt. Einer sagte – vielleicht Gergő Arató -, es sei immer noch die größte Ungerechtigkeit, dass das ungarische Bildungssystem die bei uns bestehenden gesellschaftlichen Unterschiede verstärkt, nicht verkleinert, sondern auch noch segregiert. Nun, das ist das wirklich große Problem, das ist die große Sorge. Und das große Problem ist, dass wir denen die staatliche Bildung umsonst geben, die aus den besten Familien kommen. Im Vergleich dazu ist es kein Problem, dass das mit 3 Prozenten bezahlt werden sollte. Wenn es einen sozialen Skandal gibt, dann der, dass sich die obersten Zehntausend mit öffentlichen Geldern reproduzieren. Und wir sind so beschissen, dass wir es nicht wagen den Leuten zu sagen, dass sie bitteschön diese 7 Prozent zahlen mögen. Machen wir uns hier nicht gegenseitig was vor ? Das ist der eigentliche Skandal. Der eigentliche Skandal ist, dass die Leute, von denen Laci spricht, seine Zigeunerleute, ein Zehntel der Qualität der Gesundheitsversorgung bekommen wie ich.
Und meine Mutter, seit ihr Name in Pápa als Katus Gyurcsány bekannt ist, hat sie eine bessere Zeit, sowas Verrücktes! Sie wusste nicht, was passiert war. Hat sich das Gesundheitssystem verbessert, mein Sohn? Ich sage: ne, eine große Scheisse, Mama. Die Wahrheit ist, sie erkennen deinen Namen. Ein Skandal. Im Vergleich dazu ist die Besuchsgebühr (bei ärzlichen Einrichtungen) im sozialen Sinne nichts. Das ist kein Skandal, es ist politisch unbequem, man wird dafür bezahlen. Denn politisch kann es schwerwiegende Folgen haben. Aber ehrlich gesagt betrifft uns diese Konsequenz allenfalls, wenn wir Idioten sind.
Die soziale Konsequenz betrifft alle. Wir wagen es nicht, eine Reihe offensichtlicher sozialer (gesellschaftlicher) Lügen auzusprechen, weil wir Angst vor den politischen Konsequenzen haben, die uns treffen werden.
Aber meine Damen und Herren! Ist das Problem von einigen hundert Menschen, deren Familien und Bekannten, unser Problem? Aber du musst kein Politiker sein, weil du so tierisch gut davon leben kannst.Weil wir vergessen haben, wie es ist, Autolackierer zu sein? Sondern darum, weil wir diese Probleme lösen wollen. Übrigens ist es die Erfahrung sowohl der letzten vier Jahre, auch die Erfahrung von Gyula Horn, dass man nicht deswegen scheitert, weil man was tut, sondern weil man nichts tut. Verdammt nochmal, was dann? Man muss was beginnen. Wir müssen wissen, was wir wollen. Klar, die ersten paar Jahre werden scheußlich sein.
Es ist völlig uninteressant, dass 20 Prozent der Bevölkerung für uns stimmen. Im vergangenen Sommer gaben laut Meinungsforschung zum ersten Mal seit acht Jahren nur 18 von 100 Menschen an, für uns zu stimmen. Letzten Sommer, Kinder! Ein Jahr später haben wir gewonnen.Was wäre, wenn wir unsere Popularität nicht verlieren würden, weil wir uns gegenseitig ins Knie ficken, sondern wir große soziale Sachen machen würden. Und es ist kein Problem, dass wir für eine Weile die Unterstützung der Gesellschaft verlieren. Dann holen wir sie zurück. Weil sie es irgendwann verstehen. Und man kann ruhig aufs Land ziehen, wenn wir es gemacht haben. Verdammt nochmal. Wurde nicht alles besser für alle? Sie haben Recht. Aber für ihn, ihn und sie wurde dieses jämmerliche Land endlich wieder aufgebaut. Darum geht es in der Politik. Nicht, wer von uns Bezirksbürgermeister wird und wie viele Stellvertreter er haben wird. Es ist auch wichtig, ich weiß, ich bin nicht naiv. Aber es gehört nicht zu den 100 wichtigsten Angelegenheiten des Landes. Und wir entscheiden, womit wir uns beschäftigen! Und das Land, das es meiner Meinung nach verdient, und wir selbst verdienen es, wenn wir solche Sachen anpacken.
Also ich kann euch sagen, bleiben wir standhaft und bringen wir es zu Ende. Oft habt ihr Recht, wenn ihr mich warnt, euch Sorgen macht bezüglich der Details. Ich kann nur sagen, dass ich so kein einziges Spiel spielen werde. Machen wir unsere Arbeit. Solange wir schnell vorankommen, solange geht es weiter. Wenn man nicht weiter gehen kann aber ihr erklärt, dass doch, aber … dazu bin ich nicht da. Das erfordert jemand anderes. Und dann werde ich verdammt gute Bücher über die moderne ungarische Linke schreiben.
Deutsche Übersetzung von Dominik Rohde und Dr. Andrea Martin, 2021
Az öszödi beszéd vágatlan verziója: https://www.youtube.com/watch?v=7F4NmtG38Qc&t=44s
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